Ministerpräsident ohne mich
Es ist gute Gepflogenheit, dass zu Besuchen von Regierungsvertretern des Staates in Südtirol auch die Südtiroler Parlamentarier eingeladen werden. Dies ist anlässlich des Besuchs von Ministerpräsident Enrico Letta an diesem Montag wieder der Fall. Mit einer Ausnahme, leider. Ich wurde nicht eingeladen.
Ich mag nicht glauben, dass es sich dabei um eine bewusste Ausladung des gastgebenden Landeshauptmanns handelt. Eher vermute ich dahinter behördliches Versehen. Es ist offenbar zu den Verantwortlichen des Landesprotokolls noch nicht vorgedrungen, dass mit dieser Legislatur zum ersten Mal auch ein Deutschsüdtiroler Nicht-SVP-Abgeordneter im Parlament sitzt.
Ich bin überzeugt, solche parteipolitische Diskriminierung – denn um eine solche handelt es sich – liegt nicht im Sinn des Gastes, dem der Empfang gilt. Und sie widerspricht auch dem Versprechen des Landeshauptmannes und der Südtiroler Volkspartei, die Autonomiepolitik künftig offener und im Einvernehmen mit allen sowohl ethnischen als auch politischen Vertretungen zu gestalten. Der Besuch des Ministerpräsidenten hätte die Nagelprobe auf die Glaubwürdigkeit dieses Versprechens sein können. Die Wirklichkeit ist, dass die Autonomiepolitik der alten Geheimdiplomatie vorbehalten bleibt. Ein Staatsbesuch wird damit zum Parteitreffen und Wahlkampf herabgewürdigt.
Ich persönlich und die Südtiroler Grünen sowie Sinistra Ecologia Libertà, für die ich gewählt bin, wir engagieren uns für die Wahrung und den Ausbau der Südtirol-Autonomie und beanspruchen, dass das auch anerkannt wird. Die Nichteinladung zum Letta-Besuch deutet darauf hin, dass das nicht der Fall ist. Es betrübt mich, jedoch bettle ich deswegen nicht um Nachladung. Ich werde morgen früh, wie ab jedem Montag, wieder im Parlament sein und meine Pflicht tun. Auch für Südtirol.
Florian Kronbichler