Florian
Kronbichler


Vertrauen

Mir geht’s im Parlament in Rom gleich wie meinen Grünen im Südtiroler Landtag: So wie diese den kommenden Landeshauptmann Arno Kompatscher vertrauenswürdig finden, so würdig, dass sie sich vorstellen können, ihm ihr Vertrauen auszusprechen, es ihm aber dennoch nicht aussprechen werden, so finde ich in Rom Ministerpräsident Enrico Letta grundsätzlich vertrauenswürdig. Heute stellt er in den Kammern des Parlaments die Vertrauensfrage für seinen „Neubeginn“, wie er sich ausdrückte. Ich werde ihm das Vertrauen verweigern. Ich wäre euch dankbar, würdet ihr mir in aller Offenheit sagen, ob das korrekt, in Ordnung, notwendig ist, oder ob ich mich hier widersprüchlich, unverantwortlich, kontraproduktiv verhalte.
Ich habe mit den Grünen und SEL kandidiert in der Absicht, und Hoffnung, innerhalb der Mittelinks-Koalition, damals unter PD-Chef Bersani, Italien von Berlusconi zu befreien und die Regierung zu übernehmen. Das Vorhaben gelang nicht. Bersani scheiterte, der Partito Democratico bildete mit Berlusconis Partito della Libertà die Regierung „delle larghe intese“. Wir sind seither – konsequent – in Opposition.
Inzwischen ist Berlusconi weg, ein Großteil seiner ehemaligen Partei, hat das Regierungsbündnis verlassen. Das „breite Bündnis“ ist weniger breit und ein bisschen klarer. Und dass Berlusconi „draußen“ ist, verdiente für sich allein den Titel „Neuanfang“.
Müsste das für uns ein Grund sein, die Regierung Letta zu unterstützen? Mein demokratisches Verständnis sagt mir: nein. Eine gute Vertrauensrede und eine weniger schändlich breite Koalition in Ehren, aber sie sind kein Grund, nicht länger wachsam zu bleiben. Das Regierungsbündnis ist breit genug, um uns nicht zu „brauchen“ und um weiter Opposition zu verdienen. Opposition ist nicht Destruktion oder gar Sabotage, Opposition ist Kontrolle, Wachsamkeit. Ist nicht Verzicht auf Verantwortung, sondern Verzicht auf Teilhabe (an Macht und Mitteln).
Die Regierung Letta ist fortan besser als bisher. Sie ist eine Regierung ohne Berlusconi – und das allein macht sie schon zumutbar. Aber es ist kein Grund, jetzt leichtgläubig und übermütig zu werden. Wir respektieren sie mit konstruktiver Opposition. Das unterscheidet uns von der Fundamentalablehnung durch Grillos M5S. Es gibt Verantwortlichkeit auch in der Opposition.
Jemand mag jetzt einwenden: wir sind jetzt in Opposition gemeinsam mit Berlusconi. In der Tat ist mir das unangenehm. Doch, es ist wie in jedem öffentlichen Verkehrsmittel: Man kann sich die Mitfahrenden nicht auswählen. Man kann sich nur anständig benehmen. Auch in schlechter Gesellschaft.

Florian Kronbichler

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