Florian
Kronbichler


Die neuen Bäuerinnen

Kompliment den neuen Bäuerinnen, besser gesagt: den Bäuerinnen, die Neues wagen. (Ich sage mit Bedacht nicht „innovative“ Bäuerinnen, so ausgelutscht nichtssagend ist das Modewort inzwischen.) Am Sitz des Landwirtschaftsministeriums in Rom sind heute sechs Bäuerinnen für ihren erneuernd unternehmerischen Geist geehrt worden. Unter diesen die Südtiroler Kräuter-Pionierin Martha Gassliter Mulser vom Pflegerhof in St. Oswald, Kastelruth.
Ich habe wieder viel gelernt bei der Gelegenheit. Erstens, die neuen Bäuerinnen sind hoch gebildet. Von den sechs ausgezeichneten haben drei Doktorat. Zweitens: die neuen Bäuerinnen sind bio. Alle sechs. Drittens: die neuen Bäuerinnen produzieren nicht nur, sie bringen ihr Produkt direkt zum Konsumenten, verstehen also auch was vom Handel.
Die Bäuerinnen stellten der Reihe nach sich und ihr Unternehmen vor: Eine kalabresische Großbäuerin hat ihre 170 Hektar zum gastro-ökologischen Erholungspark umgerüstet. Die emilianische Agronomin Manuela Pagani beweist auf ihrem Landgut am Po-Ufer („L’ortica – die Brennnessel)“, wie man auch als Stadtkind Bäuerin „werden“ kann, und das naturnah und mit minimalem Maschinen-Einsatz.
Eine Sardin hält 600 Ziegen und vermarktet ihren Käse garniert und verpackt in gefilzter Schafwolle. Die Kollegin aus Lodi (Lombardei), auch sie Doktorin in Agraria, bewirtschaftet im ungefähr 300. Jahr ihrer Familientradition (was bei uns ein Erbhof wäre) 70 Hektar Land als Lehrbetrieb: 54 verschiedene Berufe kommen allein in ihrem Unternehmen zur Entfaltung, hat die junge Bäuerin zusammengezählt. Sie hat von Milchwirtschaft auf Fleischrind umgestellt. Bio, selbstverständlich.
Biodiversity for life heißt ein weiterer landwirtschaftlicher Betrieb nahe Verona. Ihre Bäuerin hat den Ehrgeiz, „Probleme in Chancen“ zu verkehren. Intensiv-Landwirtschaft in Stadtnähe sei nicht mehr konsensfähig, hat sie die Erfahrung gemacht. Deshalb hat sie auf Bio umgestellt und beliefert Radweg-Nutzer, Ausflügler und Stadtmärkte.
Unsere Kräuterkönig Martha Gasslitter Mulser schließlich. In schönem Italienisch erzählte die Frau von ihrem Pflegerhof, was darauf gedeiht und wie sie es versteht, draus ein Geschäft zu machen und dabei nie auf Natur und Gesundheit zu vergessen. Ein fürwahr reizender Vortrag. Frau Mulser und ihre Familie kamen in Kastelruther Tracht zur Preisverleihung angereist. Für sie gab’s den herzlichsten Applaus. Freilich war es nicht nur der Tracht und des Vortrags wegen. Die Mitausgezeichnete vom Po-Ufer sagte es neidend anerkennend: „Eine so atemraubend schöne Landschaft wie Frau Mulser haben wir nicht herzuzeigen.“ Fürs ehrliche Geständnis gab’s Sonderapplaus.

Florian Kronbichler

Diskutieren, kommentieren


Flor now
Facebook Link