Eurotirol in rot-grau.
Hab ich schon gesagt, dass ich inzwischen so etwas wie der Europa-Botschafter von Sel bin? Mit dem Austritt von 12 Parlamentariern hat es in der Parlamentsfraktion zwangsläufig eine organisatorische Erneuerung gebraucht. Kontakte zu und von europäischen Grünen und Linksparteien müssen selbstredend gepflegt werden, und ich habe mich für diese Aufgabe gemeldet. Ich werde somit demnächst auch die Termine im Europarat wahrnehmen und überhaupt mehr unterwegs sein. Dafür bin ich aus dem Verfassungsausschuss der Kammer zurückgetreten und arbeite fortan im Ausschuss für Europapolitik. Bin von der 1. in die 14. Kommission gewechselt, von der ersten in die letzte, sozusagen, was sehr nach Abstieg gedeutet werden könnte. War aber nicht so gedacht.
Apropos Europa. Ich muss hier etwas nachtragen von meinem letzten Brüssel-Trip. Es war vorletztes Wochenende, zu einer TTIP-Konferenz der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Nahm ich also die Gelegenheit wahr, dem Europaregion-Haus, unserem Sitz bei der EU, einen Besuch abzustatten. Das Haus in unmittelbarer Nähe der EU-Paläste wurde vor 20 Jahren von den Ländern Tirol, Südtirol und Trentino angekauft und dient seither weitgehend zu Werbezwecken und als Kontaktadresse für die drei Länder-Regierungen.
Mein erster Eindruck von unserem Fenster nach Europa war kein überwältigender. Sollte die Bude unsere Botschaft sein, was offiziell ihr Anspruch ist, hätte sie etwas Aufmöbelung notwendig.
Es beginnt beim Einlass: Ein verlottertes Türschild mit schlampig beschrifteter Klingel und unsäglich schlechter Sprechanlage. Um unangemeldet eingelassen zu werden, bedarf es einiger Aufdringlichkeit. Ich bin in Gefängnisse schon unkomplizierter vorgelassen worden.
Das Haus wird gleichwertig von je einem leitenden Beamten der drei Länder geführt. An diesem Tag ist nur der Trentiner da. Nichts auszusetzen, ich versteh, dass die Leute auch anderes zu tun haben, als auf mich zu warten.
In der Vorhalle zu den Büros fallen an zwei Türen, offensichtlich die Toiletten, groß angeschriebene Zettel auf: „Staff only“. Ich denk mir: Wohin wenden sich andere, wenn sie müssen? Solch abweisende Hinweise finde ich unhöflich, auf keinen Fall gastfreundlich.
Große Geschäftigkeit scheint in der Euregio-Botschaft nicht zu herrschen, und zwar nicht nur in diesem Augenblick, sondern überhaupt. Man merkt es am Interieur.
Ich komme zur Sache. Über dem Eingang hängen vier Fahnen (Wimpel wäre das passendere Wort): die blaue Europafahne und die drei Tiroler Weiß-roten (mit den jeweiligen Wappen). Weiß-rot sage ich, weil ich weiß, dass Tiroler Fahnen das sein müssen. An der Brüsseler Botschaft käme einer, der es nicht weiß, nicht zwingend darauf. Das Weiß der Tiroler Fahnen ist dort grau. Derart grau, dass es geradezu nach gewollter Nachlässigkeit aussieht. Ich spreche das an. Der Leiter und eine inzwischen hinzugekommene, zwar nicht leitende, aber immerhin auch Dr.-Titel tragende Südtirolerin leugnen die Tatsache nicht, reagieren aber so, als fänden sie den Makel auch nicht für gar so der Rede wert.
Ob man die nicht einmal waschen könnte, frage ich. Man antwortet mir, es sei etwas umständlich die Fahnen einzuziehen. Verstehe ich nicht. Ich biete mich an: „Soll i c h sie herabholen?“ War schon ein bissl bummelwitzig. Der Trentiner ging aufs Angebot doch nicht ein.
So redeten wir halt ein bissl weiter über das Grau im Tiroler Weiß. Mir fiel als mildernder Umstand ein, dass das Haus tatsächlich neben einer Großbaustelle stehe. So redend, fiel der Südtirolerin irgendwann ein, dass neulich der Tiroler Landtagspräsident Herwig van Staa dagewesen sei, und „dem ist auch aufgefallen, dass die Fahnen einmal gewaschen gehörten“.
Das sei vor einigen Wochen gewesen. Der Wunsch des ehemals ranghöchsten Tirolers muss bei seinen Brüsselern keinen nachhaltigen Eindruck hinterlassen haben.
Und der Beamtin, immerhin sieben Jahre schon dort, kam noch etwas in den Sinn: „Einmal haben wir sie schon gewaschen, erinnere ich mich.“ Ich fragte nach, wann. Die Frau dachte und rechnete nach: „Vor zwei, zweieinhalb Jahren muss das gewesen sein.“
Ich bin neugierig. Mitte September bin ich wieder in Brüssel, und – entschuldigt meine Hartnäckigkeit! – ich werde nachsehen, ob was ich sage gleich wirkungslos gewesen sein wird als das Wort des Tiroler Landtagspräsidenten.
Florian Kronbichler