Florian
Kronbichler


Inspektionsbesuch im Gefängnis Trient

Ein Selbstmord letzte Woche, ein zweiter vor anderthalb Monat, ein dritter vor Weihnachten. 22 (zweiundzwanzig!) amtlich festgestellte Selbstmordversuche seit Eröffnung des neuen Gefängnisses vor drei Jahren.
Aufgeschreckt von dieser Schreckensbilanz, hat der Kammerabgeordnete Florian Kronbichler heute, Samstag, in Begleitung des Trentiner Strafverteidigers Nicola Canestrini einen unangemeldeten Inspektionsbesuch im Gefängnis von Trient unternommen. Das Gefängnis ist im Mai 2011 bezogen worden und gilt in seiner Größe als die modernste Haftanstalt Italiens.
Nach dem Trientner Vorbild soll auch das geplante neue Gefängnis in Bozen-Süd ausgelegt sein. Nach dem Urteil sowohl der Häftlinge als auch des Personals darf man sich davon keine Verbesserung in Bezug auf Wohlbefinden und Menschenwürdigkeit erwarten. Nicht nur die tragischen Todesfälle dieses Jahres, auch die Erfahrungsberichte der Anstaltsinsassen ergeben ein ernüchterndes Urteil über Zustand und Führung des angeblichen Musterkerkers.
Kronbichler und Canestrini haben während ihres halbtägigen Untersuchungsbesuchs mit nahezu 100 der momentan 206 Häftlingen sowie mit allen 16 einsitzenden Frauen (darunter vier Südtirolerinnen) sprechen können. 68 davon (60 Männer und 8 Frauen) haben einen detaillierten Fragebogen zu den Haftbedingungen ausgefüllt. Die Ergebnisse werden anonymisiert die Grundlage einer parlamentarischen Initiative bilden. Eine dringende Anfrage hat Abgeordneter Kronbichler bereits im Sommer, im Anschluss an den zweiten bekannt gewordenen Selbstmord, ans Justizministerium gerichtet.
Was nach wiederholten Kerkerbesuchen abermals auffiel, ist der augenscheinlich absurde Umstand, dass moderne, technisch hochgerüstete Gefängnisse in keiner Weise die Lebensqualität ihrer Insassen und auch nicht die der darin Bediensteten zu verbessern vermögen. Das Gegenteil scheint der Fall zu sein. Die Trientner Anstalt ist keineswegs überbelegt. Zellen, Arbeitszimmer und Freiräume sind großzügig ausgelegt und eingerichtet, was aber an Raum und Technik verbessert worden ist, wird offensichtlich an menschlichem Angebot eingespart. Häftlinge wie Mitarbeiter trauern dem alten Kerker nach. Videoüberwachung und Sterilität stellen sich als grausamer Ersatz für menschliche Wärme heraus. Wer kann, möchte versetzt werden, und – wer es nicht glaubt, gehe selber hin und höre! – der Geheimtipp ist Bozen.

Florian Kronbichler


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