Florian
Kronbichler


70 Jahre Holocaust – ein Schlussstrich?

27. Jänner – Gedenktag! Diesmal besonders: Am 27. Jänner 2015 jährt sich zum 70. Mal die Befreiung der nazistischen Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau durch die Rote Armee. Seither begehen wir diesen Tag als Tag des Gedenkens an alle Opfer von Faschismus und Nationalsozialismus. In Deutschland wird er als nationaler Trauertag begangen. In Italien nicht und in Südtirol schon gar nicht, was schade ist. Mehr Gedenken, auch mehr Schuldbewusstsein stünde uns gut an. Des Holocausts zu gedenken, ist Pflicht. Auch für uns, immer noch und weiterhin.
Die Bertelsmann-Stiftung, Deutschlands bedeutendstes Sozialforschungs-Institut, hat zum 70. Jahrtag des Holocaust-Gedenkens eine Studie veröffentlicht, die verstören muss: Dieser nach sind 81 Prozent der Deutschen heute der Meinung, es sei Zeit, die Geschichte der Judenvernichtung „hinter sich zu lassen“. Etwas weniger, aber immer noch 58 Prozent, sind dafür, unter das finsterste Kapitel deutscher Geschichte einen „Schlussstrich“ zu ziehen.
Ich finde den Befund erschreckend. Wenn sonst nichts, wäre genau dieser der Beweis, dass Gedenken sein muss. Der Holocaust verjährt nicht.
Warum? Ich sage es mit einem unverdächtigen Zeugen. Der vor einem Jahr verstorbene Manfred Rommel, Sohn des Wehrmachtsgenerals Erwin und von 1974 bis 1996 Oberbürgermeister von Stuttgart, sagte über seine deutschen Landsleute Folgendes: „Ich bin fest davon überzeugt, Menschen aus der Nazizeit würden heute so reden und handeln wie wir. Und die Menschen heute hätten sich im Dritten Reich so verhalten wie jene, die damals gelebt haben.“
Das ist ein schrecklicher, wahrscheinlich zutreffender Befund. Und er gilt für uns alle. Und solang das so ist, darf unter dem Naziterror, unter der Judenverfolgung, unter dem Holocaust kein Schlussstrich gezogen werden.

Foto: Die Todessgleise ins KZ Auschwitz-Birkenau. Foto von 1945

Florian Kronbichler

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