Nationalpark: Schutzklausel umgekehrt
Der Nationalpark Stilfser Joch. Eine Jahrzehnte alte Autonomie-Streitfrage ist beigelegt. Mit einer „Schutzklausel“ wie in der Verfassungsreform. Nur diesmal umgekehrt: zu Gunsten des Staates.
An diesem Mittwoch hat die Zwölferkommission den Entwurf für die Durchführungsbestimmung zum Nationalpark Stilfser Joch einstimmig genehmigt. Das Ergebnis wurde tags darauf von Rai-Südtirol vermeldet wie folgt: „Der Nationalpark Stilfser Joch geht ans Land über.“ So ist die Wirklichkeit nicht. So war es das Bestreben der SVP und –flüchtlich gelesen – auch die veröffentlichte Siegesmeldung der SVP. Die Wahrheit ist, dass die drei am Park beteiligten Körperschaften (Region Lombardei zu 45 %, Provinz Südtirol zu 41 % und Trentino zu 14 %) zusammen die Verwaltung und anteilsmäßig die Finanzierung übernehmen. Der Park muss weiterhin „Nationalpark“ heißen, er wird koordiniert von einem gemeinsamen Ausschuss, die Gemeinden im Park bekommen zwei Vertreter und Mitspracherecht in diesem Ausschuss, und zu allem muss das Einvernehmen mit dem staatlichen Umweltministerium eingeholt werden.
Für die SVP ist die getroffene Lösung kein Sieg. Sie hat ihre Wunschvorstellung von einem de facto dreigeteilten Park, in dem das Land Südtirol für seinen Anteil alleinige Zuständigkeit hätte, nicht durchgesetzt. Die gesamtstaatlichen wie örtlichen Umwelt-Verbände, die in den Zugeständnissen des Staates an die „Reform“-Pläne des Landes Südtirol eine Aushöhlung der Nationalparkidee, die Zertrümmerung des Parks und seine Umwandlung in drei provinziale Naturparke wittern, werden nicht zufrieden sein, können für sich aber beanspruchen, das Schlimmste verhindert zu haben. Sie sind in die Führung des Parks eingebunden, der wissenschaftliche Vertreter ist auch vorgesehen, und das letzte Wort behält das Umweltministerium.
Jetzt muss das Einvernehmen aus der Zwölferkommission (Südtirol und Trentino) von der Regierung mit Dekret zur Durchführungsbestimmung zum Autonomiestatut erhoben werden, und ein Jahrzehnte langer Prinzipienstreit sollte abgeschlossen werden. Es ging immer mehr ums Prinzip als um ein konkretes Problem.
Die SVP sprach von „Gutmachung eines faschistischen Unrechts“, und entsprechend aufgedonnert wurden von ihr die „Leiden“, die der Vinschgauer und Ultner Bevölkerung aufgebürdet würden dadurch, dass sie im Nationalpark leben und wirtschaften müssten. Der Nationalpark (eingerichtet 1935 – 80. Geburtstag) wurde, ähnlich wie die Stauseen und Elektrokraftwerke, als feindliche Besatzung und Ausbeutung hingestellt. Die Kraftwerke und ihr Strom wurden inzwischen „heimgeholt“ (wie auch immer) und damit „politisch entschärft“.
Mit dem Nationalpark hatte die Partei Gleiches vor. Nur hatte sich die Bevölkerung inzwischen an den Park gewöhnt, gewann ihm zunehmend auch die positiven Seiten ab. Der SVP und speziell ihrem Nationalpark-Agendenverwahrer Senator Zeller ist die Zeit davongelaufen. Ihre Dämonisierungsstrategie verfängt nicht mehr. Gegen den Nationalpark lässt sich keine Volk-in-Not-Stimmung mehr mobilisieren. Allenfalls sticht als Trumpf für mehr Autonomie am Nationalpark noch die Unzufriedenheit mit der gegenwärtigen Führung, die weitgehend eine Nichtführung ist. Lange Zeit hieß die Losung der SVP „Weg mit dem Nationalpark!“. Jetzt lautet das Ziel „eine bürgernähere Verwaltung“.
Welchen Nationalpark wird uns die Durchführungsbestimmung jetzt bringen? Wenn guter Wille auf allen Seiten besteht, tatsächlich eine „bürgernähere Verwaltung“, was außer für die „Bürger“ auch das Beste wäre für Natur und Getier. Besteht dieser gute Wille nicht, wird es zu einer noch stärkeren Blockierung kommen, als es in Vergangenheit schon war. Will das Land die Nationalpark-„Idee“ tatsächlich aushöhlen, wird ihm das Umweltministerium in den Arm fallen. Und es geht gar nichts.
Es kann dann am Beispiel des Nationalparks das Gleiche passieren, was wir heimlich mit der „Schutzklausel“ in der im Werden begriffenen Verfassungsreform vorhaben. Dort heißt es sinngemäß: Ohne Einvernehmen mit dem Land, kann keine staatliche Verfassungsreform unser Autonomiestatut brechen. Unser Hintergedanke dabei: Geben wir einfach unser Einvernehmen nicht! Und wir sind sicher. Das Gleiche kann jetzt der Staat am Nationalpark tun. Wir können herumfummeln an ihm, wie sehr und wie schlau wir wollen. Wenn das Umweltministerium nicht seinen Servus dazu gibt, bleibt alles, wie es ist. Und es geht gar nichts mehr.
Ich bin froh, dass der Nationalpark ein Nationalpark bleibt und auch weiterhin so heißen muss. Ich bin froh, dass er nicht wirklich in drei Provinzial-Naturparke zerrissen wird. Ich bin froh, dass die Gemeinden mehr mitreden dürfen und dass das Land bezahlt, ohne um den Nationalpark länger einen Volkstumskampf zu führen.
Florian Kronbichler