Die Dolomiten-Autonomie
Wäre ich oppositioneller Fundi, wären das für mich– ich sag es mit Mussolini: „giornate da leone in una vita da pecora“. Die SVP macht alles falsch, und das nicht irgendwo, sondern auf ihrem-unserem wichtigsten Gebiet: der Autonomiepolitik. Sie verbockt alles: Rechte, Geld, Respekt, die Autonomie selber.
Das sage nicht ich. Es sagen die Dolomiten. Denn es wäre reine Ablenkung zu sagen, der Riz, der Durnwalder, die Thaler-Außerhofer, der Peterlini und die vereinigte deutsche Südtirol-Rechte würden das sagen. Die Dolomiten – wann immer sie sich entschließt, Kampfblatt zu sein – l ä s s t sagen. Ich weiß, wie das geht. Mich selber hat das Blatt, was es sonst beharrlich nie tut, letzte Woche angerufen und, nein nicht gefragt, sondern mit der Feststellung konfrontiert: Südtirols Schutz sei mit der Schutzklausel in der Verfassungsreform etwa „doch nur gestundet“. Ich bestätigte das mit einem schlichten Ja. Tags drauf erfährt das Dolomiten-Leservolk, getüttelt als Zitat von mir, „Schutz für Südtirol ist nur gestundet“. Ein Eigenzitat der Zeitung, mir in den Mund gelegt. Und wenn’s sogar dieser grüne, linke, italienerfreundliche Oppositionelle sagt!
Die Treibjagd war eröffnet. Ich hätte Ursache, schadenfroh zu sein. Als einziger Südtiroler Parlamentarier habe ich gegen diese Verfassungsreform gestimmt. Als einziger habe ich das Wort ergriffen gegen Biancofiores Antrag, die Regierung möge rasch „die Angleichung des Autonomiestatuts an die reformierte Verfassung“ betreiben. Als einziger habe ich der Südtirol-Tagesschau gesagt: „Das einzig Gute an der Verfassungsreform ist das, was ausdrücklich nicht drinnen ist, nämlich ihre direkte Anwendung auf die Sonder-Autonomien“. Ich hätte also ganz im Sinne der Dolomiten und der von ihnen mobilisierten Autonomie-Altmeister gehandelt.
Aber was interessiert die Wahrheit, wenn eine Kampagne geritten werden soll? Wenn es den Dolomiten um die Autonomie und ihre Absicherung ginge, würde sie Fakten liefern und hätte sie vor allem früher Alarm geschlagen. Die Verfassungsreform ist in den fraglichen Punkten bereits vor mehr als einem halben Jahr, also letzten Sommer, vom Senat mit dem gleichen Wortlaut genehmigt worden. Mit den Stimmen auch der SVP- und SVP-PD-Senatoren. Fand die Zeitung da was auszusetzen? Schweigen. Und nicht nur: Triumph-Getöse um die – wie immer „schwer“ – erhandelte Schutzklausel für Südtirol.
Ich habe keine Verursachung, die SVP-Parlamentarier in Schutz zu nehmen. Und wie ich die Herren Zeller & Co. kenne, würden sie sich jede Solidaritätsbekundung meinerseits verbitten. Doch die Art, wie ihre Altvorderen, missbraucht von den Dolomiten, sie jetzt belehren, ist nur noch hochnotpeinlich. Geiferndes Nachtreten abgeschirrter Altbauern. Sagt nichts über die Sache und alles über sie selber. Die SVP-Parlamentarier haben für die Verfassungsreform gestimmt, so wie und weil sie immer für alles stimmen, was die Regierung Renzi von ihnen haben will.
Ja, sie kuschen. Genau so, und nicht mehr, wie sie zu Rizens und Durnwalders Zeiten schon immer gekuscht haben und dafür einmal mehr, einmal weniger belohnt wurden. Öfter mehr. Dieses Kuschen, diese Liebesdienerei – Zeller sagt „Netzwerk-Arbeit“ dazu – lässt die SVP immer wieder autonomiepolitische Erfolge einfahren. Nicht immer so glorreiche, als welche sie daheim verkauft werden, aber, wie Zeller mir immer auf Maul schlägt: ich kann nicht „beweisen, dass ich mehr herausgeschlagen hätte“. Drum hier noch einmal: Erfolgreich war die SVP-Autonomiepolitik bisher schon, würdig ist sie gelegentlich nicht.
So würdelos wie die Treibjagd dieser Tage freilich nicht. Kommenden Dienstag beginnt im Regionen-Ausschuss von Kammer und Senat eine Anhörungsrunde mit Rechtsgelehrten und Politikern (auch unserem Landeshauptmann) über die Zukunft der Sonderautonomien. Ich werde aufmerksamer Zuhörer sein. Einen Fall Autonomie-Notstand vermag ich momentan nicht zu erkennen. Einen Fall Riz oder Durnwalder? Lächerlich! Ich sehe nur einen Fall Dolomiten.
Florian Kronbichler