Flüchtlinge: Autonome Behinderungsbehörde
Jetzt müsste ich in Bozen sein. Landes-Sozialabteilungsleiter Luca Critelli hat nach langem Hinhalten und mit dem Argument, die Einverständnis des Regierungskommissariats einholen zu müssen, die „Erlaubnis“ erteilt, dass eine Delegation der Südtiroler Grünen die Auffang-Lager für Flüchtlinge in Bozen besuchen darf. Der Grünen-Delegation sollten die drei Landtagsabgeordneten Foppa, Dello Sbarba und Heiss sowie ich als Parlamentsabgeordneter und die Leiterin des Landtagsbüros, Serena Rauzi, angehören. Wegen der kurzfristig anberaumten Vertrauensabstimmungen zum Wahlgesetz in der Abgeordnetenkammer sitze ich in Rom fest und kann am Besuch nicht teilnehmen. Die Flüchtlinge werden mich nicht vermissen. Sie haben größere Sorgen.
Und im übrigen: Als hätte ich die sichere Vorahnung gehabt, ich habe die Flüchtlinge in der Gorio-Kaserne und den umstehenden Containern am Bozner Boden schon Montag besucht. Vorsichtshalber, ganz unförmlich und ein bisschen auch aus Protest. Aus Protest gegen die unverständliche Hinhalte-, um nicht zu sagen Abwimmelungs- und Zermürbungstaktik des einzig verantwortlichen Landesbeamten. Gott sei Dank verfahren die Zuständigen am Ort immer noch mehr nach Hausverstanden als die Letztverantwortlichen in den Zentralämtern.
Jetzt, da Alt-Landeskonservator Helmuth Stampfer in anderem Zusammenhang gesagt hat, dass mitunter besser wäre, etwas bliebe in Staatszuständigkeit, weil es beim autonomen Land nur schlimmer würde (gemeint: die Zertrümmerung der Landesabteilung Denkmalpflege), erlaube auch ich mir die Ungeheuerlichkeit zu sagen: Hätte nur der Staat das Sagen, wir wären freier!
Da nimmt sich der Landesbeamte Luca Critelli die Amtsfreiheit heraus, eine parlamentarische Delegation (auch Landtagsabgeordnete sind parlamentarisch) eine Woche hinzuhalten für ihr Besuchsrecht in einem Flüchtlingsheim. Und dafür auch noch die Mitverantwortung einer Staatsbehörde vorzuschützen. Ich habe mich persönlich bei Quästor Lucio Carluccio erkundigt und auch mit Regierungskommissarin Marciacchi darüber gesprochen: Für die Führung – Besuchsrecht eingeschlossen – der Auffang-Einrichtungen für Flüchtlinge ist das Land zuständig und nur es.
Es ist eine um sich greifende Unart von Landesdienststellen, für unliebsame Dinge staatliche Hindernisse – wirkliche und angebliche – vorzuschützen. Ich heiße das Autonomieverzicht zu Verhinderungs- und Verschleierungszwecken. Hier wird Autonomie nicht zum Vorteil für die Bevölkerung ausgeübt, sondern zu deren Kujonierung. Da ist gescheiter, um es mit Alt-Landeskonservator Stampfer zu sagen, „wir geben alles wieder dem Staat zurück“. Auch die stolzesten Städte des Mittelalters, die sogenannten „reichsunmittelbaren“, wachten eifersüchtig darüber, dass sie ja nur dem Kaiser unterstanden, und dass nicht irgend so ein Landesfürst dazwischenzufunken hatte.
Als Parlamentarier habe ich das Recht, zu jeder Zeit unangemeldet jedes Gefängnis und jede öffentliche Struktur zu besuchen, in denen Menschen aus welchen Gründen immer festgehalten sind. Gleiches gilt – nach staatlichem Recht – für Regionalratsabgeordnete. Die Grünen haben aus Höflichkeit um einen Besuch im Flüchtlingsheim angefragt. Die Antwort war die hier beschriebene. Ich halte die Vorgangsweise der Landesabteilungsleiters für Gängelung, Vorschützen von Bestimmungen, die es nicht gibt, und Behinderung an der Ausübung eines politischen Mandats.
Florian Kronbichler