Wählen und wählen machen
Sagen, wen man selber wählt? Und anderen sagen, wen man möchte, dass sie wählen? Ich beobachte neuerdings eine seltsame Zurückhaltung, diesbezüglich. So freizügig, ja aufdringlich man sonst die Mitwelt an allen Intimitäten teilnehmen lässt, ist, politisch sagt man lieber nichts. Selbst Parteien, also Organisationen, die per definitionem dazu da wären, entweder sich selber der Wahl zu stellen, oder – wenn das nicht für jeden möglich ist, wie bei den anstehenden Bürgermeister-Stichwahlen – ihren Wählern eine Empfehlung zu geben, selbst solche entdecken Zurückhaltung plötzlich als Tugend. Warum denn etwa?
Ich verstehe den privaten Mensch. „Politisch Lied, garstig Lied!“ gilt seit je und ist nicht Ausdruck einer vermeintlich erst seit Sel- und Rentenskandal ausgebrochenen Politikverdrossenheit. Politisches Engagement, das war einmal, Militanz ist passé, und so unwiderstehlich, dass man sich zum einen oder anderen bekennen müsste, sind die parteilichen Angebote alle nicht. Das ist so, und weil es so ist, geht der Privatier allenfalls noch wählen, aber Fähnchen steckt er sich dafür keines mehr auf. Spagnolli oder Urzì ? Die Stimmung ist eher eine nach dem kleineren Übel als nach dem größeren Glück.
Aber was ist, wenn selbst Parteien nicht wissen, jedenfalls ihren Wählern vom ersten Durchgang nicht sagen, wen sie im Finale, in das sie es selber nicht geschafft haben, wählen sollen? Logisch, dass keine der Verlierer die Finalisten für die Besten halten. Das sind sie selber. Aber die Spielregeln sind nun einmal so. Die Gemeindewahl, der die wahlwerbenden Parteien sich stellen, geht bis diesen Sonntagabend, Stichwahl eingeschlossen. Und wer bis zum Auftakt am 10. Mai lautstark gewusst hat, was und wen, dem darf es nicht zum Finale am 24. Mai die Stimme verschlagen. „Wahlfreiheit“, von Parteien erteilt, ist Pflichtunterlassung.
Und selber? Ich habe als Journalist vor jeder Wahl im jeweiligen Medium, in dem ich schrieb, erklärt, was und wen ich wähle. Das hat mir manchen Ärger bei Vorgesetzten und einmal die Androhung eines Verfahrens vor der Berufskammer eingebracht. Journalisten, brüsten sie sich gern, hätten „objektiv“ zu sein. Ich halte es mit Joseph Roth, der vor 100 Jahren sagte: „Objektivität ist Schweinerei“. Mein Respekt vor den Lesern ist es, sie wissen zu lassen, wo ich stehe. Deshalb auch diesmal: Ich wähle am Sonntag, und ich wähle Luigi Spagnolli, und ich rate allen, ebenso zu wählen. Außerdem wünsche ich, dass Paul Rösch Bürgermeister von Meran wird, so wie die Stadt und er es sich verdienen, und in Leifers halte ich zu Liliana Di Fede. Unverbrüchlich.
Florian Kronbichler