Herrn Zimmermanns griechischer Wahn
Mein Kommentar zum Leitartikel von FF-Direktor Zimmermann veröffentlicht in der aktuellen FF Nr. 29 vom 16. Juli 2015
Rechtlich mag Herr Kurt. W. Zimmermann ein höchst verantwortlicher Direktor seines Magazins ff sein, politisch ist er es nicht. Seine wirtschaftsliberale Haltung sei ihm natürlich unbenommen, und weil leitartikelweise stets brillant zum Ausdruck gebracht, nehme ich sie in der Regel als Bereicherung im Südtiroler Medienangebot wahr. Die Belehrungen freilich, die Zimmermann in der jetzigen ff-Nummer dem Land Südtirol erteilt, sind nicht liberal, sondern ideologische Gebrauchsanleiterei. Der Vorwurf, ideologisch zu argumentieren, ich weiß das, ist die Höchststrafe für einen Liberalen. Denn Liberale sind objektiv, ideologisch sind nur die Linken.
Als nächste sind wir dran.
Dem ff-Direktor liefert die Griechenland-Krise den Anlass zu einer systemischen Landesschelte. Er vergleicht Südtirol mit Griechenland in dessen (vermeintlich) letzten Tagen. Aber das muss noch niemanden erschrecken. Es geht in Zimmermanns Leitartikel um Südtirol als letzten überlebenden realsozialistischen Zipfel Europas, seine Planwirtschaft und die mit öffentlichen Geldern ruhig gestellte Gesellschaft, kurzum: die fürsorgliche Belagerung der Menschen durch die Tentakeln der Landesverwaltung. Heute sagt man zu so einem System „Griechenland“. Ist wenig originell, aber jeder versteht, was gemeint ist: Als nächste sind wir dran.
Der Leitartikel lässt sich zusammenfassen auf folgenden Dreisatz. Erstens: Südtirols Wirtschaft liegt in Landeshand (zu 70 Prozent), so wie und sogar mehr als jene Griechenlands (dort habe der Staat nur zu 50 Prozent die Griffel drin); zweitens: Wirtschaft unter politischer Kontrolle ist schlecht, siehe Sauhaufen Griechenland; drittens die Conclusio: Zieht Südtirol seine öffentliche Tatze nicht zurück aus der Wirtschaft, wird es enden wie Griechenland. Noch kürzer: Griechenland ist staatsmonopolistisch und schlecht, Südtirol ist staatsmonopolitisch, wird also auch schlecht enden.
Ideologisch, unbewiesen und peinlich
Ich finde die Folgerung so was von ideologisch, also unbewiesen und peinlich, dass mich nur die Sympathie fürs Blatt vor dem Verdacht bewahrt, hier wird Argumentationshilfe für handfeste Interessen geleistet. Herr Zimmermann zwingt mich, das Land und seine Politik in Schutz zu nehmen. Er weiß, dass mir das wenig liegt, wie leicht es diesfalls auch wäre.
Ich bräuchte, um ihn zu widerlegen, nur die Titelgeschichte herzunehmen genau dieser ff, in der er vorne vor der Vergriechung Südtirols warnt: Darin wird am Beispiel „Tourismus-Wunderland“ belegt, wie erfrischend hausbacken und fernab herrschender volkswirtschaftlicher Lehrwahrheiten der wichtigste Wirtschaftszweig im realsozialistisch dirigistischen Südtirol gedeiht.
Dieses Land gibt sein Bestes nicht dort, wo es Spitze im Mainstream ist, sondern in Abweichung davon. Auch, und jetzt sage ich etwas Ungeheuerliches: auch politisch. Aber darüber ein andermal. Wenn Direktor Zimmermann fair wäre, müsste er auch Gründe wissen dafür, warum Südtirol, obwohl in öffentlicher Hand, so wohlhabend ist und im Großen und Ganzen funktioniert.
Der Direktor wird mir jetzt mit den öffentlichen Skandalen kommen. Stimmt alles. Aber so unideologisch ist er doch, um zu wissen: Privatisieren schützt nirgends vor Skandalen. Werden die Skandale halt mitprivatisiert. Das lehrt die Erfahrung. Öffentlich ist gleich träge, gleich korrupt, gleich veränderungsunwillig; privat gleich effizient, sauber, stets auf Höhe der Herausforderungen – solche Gegenüberstellung ist Quatsch. Ideologie.
Privatisieren schützt nirgends vor Skandalen.
Ich schließe nicht aus, dass die Südtiroler Landespolitik sich von Herrn Zimmermann einschüchtern lässt, seinen hohen öffentlichen Anteil an der Wirtschaft als „Strukturschwäche“ erkennt und bald jene Privatisierungsphase einleitet, die andere, sogenannte fortschrittliche Volkswirtschaften bereits hinter sich haben. Gott bewahre!
Ob bei der Berglandwirtschaft, in der Industrialisierung, im Tourismus, Südtirol fand sein Glück stets eher quer zum jeweils wehenden Zeitgeist. Ich hoffe das für Griechenland diesmal auch.
Florian Kronbichler