Florian
Kronbichler


Nein, danke – uns geht’s gut.

 

Das Gewinsel war zu erwarten. Bozen hat gegen Benko gestimmt, die Stadt wird jetzt „stehen bleiben“, den Anschluss an den Fortschritt verpassen, die Konkurrenz mit Trient und Innsbruck verlieren, schlimmer noch: Sie wird absacken zu einem Provinz-Bronx, wird verelenden, die Bahnhofgegend wird vergammeln, und alles ist Schuld ihrer verfetteten, faulen, visionslosen und ideologisierten Neinsager.

Wir kennen diese Panikmache alle. Geschäftemacher haben zu allen Zeiten ihre Geschäfte „zum Wohle des Volkes“ gemacht (in vordemokratischen Zeiten auch noch „zur größeren Ehre Gottes“). Dem Eigeninteresse kam es indirekt zugute, gewissermaßen als notwendiger Nebeneffekt – denn würde er keinen Profit machen, könnte der Gönner ja nicht weiterhin Gutes tun. So hörten wir es auch von Benko und besonders deutlich von seinem Lautsprecher Hager: „Etwas für Bozen tun. Bozen nach vorn bringen.“ Sie wollten unser Bestes. Wir aber sagten: Wir geben es euch nicht.

Jetzt sind sie beleidigt. Vielleicht rächen sie sich, vielleicht schmeißen sie hin, wahrscheinlich aber versuchen sie es noch einmal. Um es in ihrem Sprachgebrauch zu sagen: Sie werden uns eine zweite Chance geben wollen.

Ach, das Gewinsel von der selbstschädigenden Fortschrittsverweigerung Bozens! Die Stadt – und fürs Land gilt das Gleiche – beide, Bozen wie Südtirol sind seit bald 20 Jahren Spitzenreiter (einmal erster, einmal unter den Ersten) aller Lebensqualitäts- und auch Einkommens-Rangordnungen Italiens. Gehören zu den reichsten Städten, bzw. Regionen nicht nur Italiens, sondern Europas. Und diese Stadt – und im Land ist’s nicht anders – lebt in Geiselhaft von Nein-Sagern. Nichts geht mehr, heißt es. Bozen bringe sich um seine Zukunft.

Es klingt wie ein Widerspruch, und ist doch logisch. Wer uns Schuldgefühle einreden will, sind die Ideologen des grenzenlosen Wachstums. Des immer-höher, immer schneller, immer mächtiger. Wir wollen das nicht. Und? Sind wir deswegen dumm, faul, zu gemütlich? Geht’s uns schon zu lang zu gut? Mit solchen Vorhaltungen kommt man uns nämlich.

Wir sind aber selbstbewusst. Für uns gibt’s noch ein Genug-ist-genug. Nicht wir Bozner allein sind so hinterwäldlerische, unverantwortliche, wirklichkeitsfremde Nein-Sager. Und wir sind damit in guter Gesellschaft. In allen Wohlstandsstädten Europas stehen Menschen auf und sagen: genug ist genug. Nehmen wir München her: Dort sagten sie in den letzten Jahren Nein zu Hochhäusern, Nein zu Olympischen Spielen, Nein zur Hochgeschwindigkeitsstrecke – und auch den Münchnern wurde vor jeder Volksabstimmung mit dem Rückfall in die Provinzialität gedroht. Vergebens. München lässt sich nicht zwangsfortschrittbeglücken. So wie Bozen auch nicht. Wir sind trendy.

Florian Kronbichler

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