Florian
Kronbichler


Verfassungsreform: Warum ich heute nein sage.

 

Heute wird die Abgeordnetenkammer die entscheidende Abstimmung über die Reform der italienischen Verfassung vornehmen. Das Ergebnis wird das Ende der bislang parlamentarischen, aufs Verhältniswahlrecht gegründeten und einigermaßen föderalistisch ausgerichteten Republik bedeuten. Die Parlamentsmehrheit hat sich dem Diktat von Ministerpräsident Matteo Renzi gebeugt.
Italien wird nach dieser Reform eine Verfassung haben, die den Regierungschef mit einer unkontrollierbaren Machtfülle ausstattet, wie es sie in demokratischen Ländern vergleichbar nicht gibt. Die Zuständigkeiten des vom Volk gewählten Parlaments werden entsprechend ausgehöhlt. Die mit der Verfassungsreform aus dem Jahr 2002 zaghaft in Gang gesetzte Föderalisierung des Staates wird wieder zurückgenommen. Wir werden einen autoritären, zentralistischen, der demokratischen Kontrolle weitgehend entzogenen Staat haben.
Die Parlamentarier der Südtiroler Volkspartei beurteilen die Reform in ihrer autoritär-zentralistischen Ausrichtung genau so. Sie werden ihr jedoch im Parlament zustimmen. Sie erklären diesen offenkundigen Widerspruch mit der so genannten Schutzklausel im Verfassungsgesetz, wonach für die Regionen mit Sonderstatut, und somit auch für Südtirol, die Reform nur „im Einvernehmen“ mit diesen Anwendung findet. Der Begriff „Schutzklausel“ ist ein irreführender Euphemismus. Denn mehr als Schutz vor der Reform ist es eine Stundung von dieser. Die Reform wird sich in ihrer undemokratischen, zentralistischen und anti-autonomistischen Dynamik à la longue auch auf Südtirol auswirken.
Die Erwirkung der „Schutzklausel“ ist ein Etappensieg der Sonderregionen, errungen nicht nur, aber auch dank der Südtiroler Volkspartei. Ob er allerdings den Preis, also die Zustimmung zu der verhängnisvollen Gesamtreform, wert ist, bezweifle ich. Es gibt für mich keine gute Landesautonomie innerhalb einer schlechten Staatsverfassung. Eine gestundete Ausnahme von dieser ist den Namen „Schutzklausel“ nicht wert und rechtfertigt nicht die Zustimmung zu der Verfassungsverstümmelung insgesamt.
Ich stimme deshalb mit Überzeugung gegen diese Verfassungsreform.
Ich werde damit auf der Verliererseite stehen, aber mein Nein wird dennoch wichtig für Südtirol gewesen sein. Niemand soll je sagen können: Italien hat seine demokratische Verfassung verraten, und Südtirol war einstimmig mit dabei. Ich werde dagegen gewesen sein. Im Herbst dann, wenn in Form eines Referendums das Volk direkt darüber abstimmen wird, werden wir unser viele sein.

Foto: LH Kompatscher mit MP Renzi: mitgegangen, mitgehangen.

Florian Kronbichler

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