Florian
Kronbichler


Auf nach Straßburg!

 

Sonntagabend, ich bin auf dem Weg nach Straßburg und ein bisschen aufgeregt. Das italienische Abgeordnetenhaus hat mich vor Weihnachten in den Europa-Rat gewählt. Dieser hat seinen Sitz in Straßburg. Ich fahre mit dem Zug. 9 Stunden von Bozen über München-Stuttgart. Das ist nicht wenig, aber auf dem Lufweg ist es, von Verona aus, nur über Frankfurt oder, leichter noch, Amsterdam zu erreichen. Straßburg selber hat keinen brauchbaren Flughafen, und ist dennoch die zweite Hauptstadt Europas (nach Brüssel). Bozen muss sich also gar nicht so provinziell vorkommen.

Ich fahr im Zug und bin ein bissl aufgeregt, sagte ich. Es ist nicht die Aufregung vor dem neuen Amt. Ich war das erste und bisher letzte Mal in der elsässischen Domstadt im Jahre 1968. Damals – mit dem Radl. Jawohl, als 17jähriger Gymnasiast zusammen mit vier Vinzentiner Klassenkameraden und dem Kunstlehrer Peter Maurberger radelten wir damals drei Wochen lang auf Landstraßen über München, Nürnberg, Franken, Mainz, Straßburg, Colmar, Freiburg im Braisgau, den Schwarzwald, Schaffhausen, den Bodensee und über den Allgäu, das Oberinntal und über den Reschen wieder zurück.

Was wir doch abenteuerlich waren: schlecht ausgerüstet, ohne Geld, mit Rädern, die nach heutigen Kriterien keine waren, aber mit einer Neugier und einem Erlebnisdrang, den ich mir zum Teil noch bewahrt habe. Ich kann sagen, wir haben auf diesem dreiwöchigen Ritt auf dem Stahlross mehr Kunstgeschichte gelernt und erfahren als die ganze Oberschulzeit und darüber hinaus zusammengenommen: die gotischen Dome, darunter eben das Straßburger Münster, den süddeutschen Barock, den Riemenschneider-Altar in Rothenburg ob der Tauber, den Isenheimer Alter in Colmar (von Matthias Grünewald) und und und. Es war das Beste unserer Schulzeit.

Zurück zu heute und zum Europa-Rat. Italien ist in diesem ältesten europäischen Gremium (1949 gegründet, mit 47 Mitgliedsländern) mit 18 Parlamentariern vertreten, 9 Abgeordnete und 9 Senatoren. Ich bin der Vertreter meiner Gruppe Sinistra Ecologia Libertà (Sel). Große politische Bedeutung hat der Europa-Rat nicht, aber ich freu mich trotzdem auf die Aufgabe.

Ich lerne (hoffentlich) darin das andere, weniger wichtige Europa kennen, die vielen Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion zum Beispiel. In vielen von ihnen gibt’s demokratische Eingewöhnungsschwierigkeiten, in manchen sogar schwere Krisen bis Bürgerkriege. Diese Länder suchen für ihre jeweilige Sache im Europa-Rat nach Mehrheiten, zumindest nach einer Bühne, um ihre Anliegen zu „internationalisieren“. Schon letzte Woche waren ein Vertreter von Aserbaidschan und der Botschafter von Armenien (jeweils getrennt, versteht sich) bei mir in Rom, um mir, so wie sicher anderen Europa-Rat-Vertretern ihre Sicht jeweilige Sicht von dem Konflikt in Berg Karabach darzustellen. Dieser steht auf der Tagesordnung der Sitzungssession von morgen, Montag, bis Freitag. Ich werde mich für die armenische Position stark machen.

Florian Kronbichler

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