Florian
Kronbichler


Mein Gruß an die Grüne Landesversammlung

Liebe Brigitte,

mein „Gruß aus Rom“, wie ihr meine Entschuldigung netterweise getauft habt, kommt diensthalber aus Paris. Auch keine üble Location, wirst du dir denken. Aber ich war von gestern bis heut Abend hier als Mitglied des Europa-Rats, und das eigentlich deine Fakultät betreffend, nämlich den Ausschuss für „Chancengleichheit und Nicht-Diskriminierung“. Es ist alles so furchtbar – oder sollte ich sagen: so herrlich relativ – im Leben und auch in der Politik.

Wir haben heute eine ziemlich fortschrittliche Resolution zur Stärkung der Frauenvertretung in der Politik verabschiedet. Berichterstatterin war eine Forza-Italia-Parlamentarierin, Lehrerin der Kinder von Berlusconi, patente Feministin. Niemand soll sich wundern. Solche internationale Resolutionen sind natürlich ausgewogen und geglättet, dass es schwer fällt, nicht dafür zu sein. Was mich jedoch überraschte, war, wie bei den Abstimmungen über einzelne Artikel und Abänderungen es unkonventionellen Koalitionen kommen kann.

Bei der Ablehnung der Quote zum Beispiel treffen sie emanzipierte Schwedinnen mit reaktionären Ostländern. Wer die Quote nicht mehr braucht, stimmt plötzlich mit jenen, die sie noch nicht wollen, dagegen. Ich muss dir gestehen, es ist aufregend, in europäischem Auftrag in Paris zwischen der schwedischen Emanze Boriana Aberg und einem ukrainischen Reaktionär Pavlo Unguryan, hinter dem Schweizer SVP-ler Jean Pierre Grin und vor der holländischen Menschenrechtlerin Marit Maij zu sitzen und die französische Mutter eines im Jänner ermordeten Sohnes erzählen zu hören, wie dieser in den Fängen des Islamischen Staates landete.

Ich erzähl dir das so, weil es der Höhepunkt einer interessanten und eigentlich erfolgreichen Parlamentarierwoche war. Sie begann am Montag mit dem kleinen Erfolg, wollen wir sagen: Etappenerfolg in der Glyphosan-Frage begann. Die Zulassuung dieses Pestizids hätte vom zuständigen Fachausschuss der EU-Kommission am Montag für 15 Jahre verlängert werden sollen. Mit ein bisschen Gesprächen, ein bisschen Schreiben und Telefonaten gelang es mir, schlafende italienische Minister zu wecken, und bogen ihr bereits gegebenes Ja in ein Nein um. Darauf wurde die Entscheidung verschoben. Also noch nichts ist gewonnen, aber eben auch nichts verloren. Eine Genugtuung.

Gleich viel Einsatz, aber kein Lohn bei der Reform der Zivil-Prozessordnung, und hier das Jugendgericht betreffend. Bozner Jugendrichter und Jugendanwältin haben mich mächtig gebrieft, nicht nur mich freilich, aber auch. Wir hätten die Autonomie des Jugendgerichts retten sollen. Wäre ja sinnvoll gewesen. Und ich habe einen recht guten Draht zur Vorsitzenden des Justizausschusses, Ferranti. Eher den besseren als die SVP-ler. Aber war nix zu machen. Jugendgericht kommt zum Landesgericht und wird ein Teil von diesem. Die SVP wollte sich noch – zwecks heimatlicher Propaganda, denk ich – noch mit einer Tagesordnung schön machen („un ordine del giorno non si nega a nessuno“), aber selbst diese hat Präsidentin Ferranti ihnen verweigert. Bei der Abstimmung darüber waren alle SVP-ler bis auf Renate Gebhard abwesend, und diese hat zusammen mit dem PD dagegen gestimmt. Gegen den eigenen Antrag! Ob aus Zerstreutheit oder aus Unterwürfigkeit, ich weiß es nicht.

Und selbst in dem sonst mir fremden bis verabscheuten Bankenbereich war ich diese Woche tätig. Im Unterschied zu anderen, habe ich zwar von einschlägiger Seite keinen Auftrag, aber ich wehre mich tapfer für die weitere Eigenständigkeit unserer Raiffeisen-Genossenschaftskassen. Das Geschäft, von dem der Landeshauptmann und seine Mannen hier so getan haben, als gehe es nur um die Richtigstellung eines Flüchtigkeitsfehlers, erweist sich als schwieriger als zugegeben. Es sieht so aus, als wolle die Regierung die selbstherrlichen Südtiroler ein bissl leiden lassen. Ich selber versteh nichts, habe aber in unserem Giovanni Paglia einen geschickten Mann im Finanzausschuss, und ich schließe nicht aus: eher gelingt ihm der Coup. Vielleicht wird aus dem Abänderungsantrag, mit mir als Erstunterzeichner, noch was.

Soeben kommt die SMS von Corinna: Nicht entschieden! So bin ich erleichert. Mir hat das Bozner Kreuz dieses Paris ordentlich verhagelt. Aber dafür sind wir ja gewählt. Und jetzt schießt mir schon fast wieder so etwas wie Zuversicht und Tatendrang ins Blut. Sei nicht beleidigt, aber ich halte die Bozner Versammlung von heute abends und alle weiteren der nächsten Tage für wichtiger als die Landesversammlung. Vor dem Hintergrund der anstehenden Entscheidung zu Bozen ist die Tagesordnung der LV, verzeih!, Ablenkung. Und ich würde mich schuldig fühlen, würde ich unter diesen Umständen mit einem „Gruß aus Rom“ dazu beitragen.

Ich habe in diesen Tagen sehr intensiv mit Corinna gesprochen. Auch mit Tobe. Und auch wenn beide das ein bissl anders sehen, nie werde ich einverstanden sein, dass die Wahl in Bozen der „Bozner Gruppe“ überlassen blieb. Ich verstehe aber auch, dass sie jetzt nicht enteignet werden kann. Das würde sie demütigen, und sie würde es zu Recht nicht verzeihen. Wenn sie heute die Türe offen gelassen haben, dann beweist das Verantwortungsbewusstsein. Mir nötigt das Respekt ab, und ich werde – was ich sonst ungern tu – das still anerkennen. Dir und euch wünsche ich, dass ihr die Landesversammlung halbwegs über den Tag bringt. Halbwegs, denn die Umstände sind … ich sag’s mit Rilke: „Wer spricht von Siegen? Überstehen ist alles.“

Morgen früh um halb 6 breche ich auf zum Flughafen.

Einen schönen Gruß und alles Gute!

Florian

Paris, 11. März 2016


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