Florian
Kronbichler


Wem bin ich und wofür?

Wem gehört der Parlamentarier? Und für wen ist er da? Die Frage treibt mich gegenwärtig wieder sehr um. Die Erfahrung, die ich zur ersten Frage mache, ist: Sicher gehört er nicht mehr sich selber. Jede und jeder hat Anspruch, dass er für sie und ihn da ist, „weil ich hab dich ja gewählt“. Am eindringlichsten sagen das jene, die einen nicht gewählt haben. Ich müsste doppelt so viele Stimmen bekommen haben, wenn alle mich gewählt hatten, die das hintennach behaupten.

Die zweite Frage: für wen? hat auf grausame Weise der SVP-Obmann wieder einmal beantwortet. Den ungestümen Oskar Peterlini hauend hat Philipp der Wortreiche jüngst gesprochen: Südtiroler Parlamentarier „sind für Südtirol da, etwas anderes hat sie nicht zu interessieren“. Im Zusammenhang mit der Haltung zur Verfassungsreform hat er das gesagt, und damit ist es doppelt dumm.

Unsere Verfassung, die auch weiterhin die italienische sein wird – wie immer das Referendum von 4. Dezember ausgegangen sein wird –, sagt im Art. 67: „Ogni membro del Parlamento rappresenta la Nazione ed esercita le sue funzioni senza vincolo di mandato.“ Die ganze Nation also, und nicht nur Südtirol, und das frei vom Parteiobmann.

Nun könnte man Achammers dummen Sager mildernd deuten: aber halt Südtirol zuerst. Bin ich einverstanden. Nur, was ist Südtirol? Wo fängt es an, und wo hört es auf? In der Diskussion über die Verfassungsreform glaubt die Großpartei die Grenze ganz krass ziehen zu müssen: Südtirol hält sich an seine Schutzklausel, können sie ringsum unser Grundgesetz verhunzen, wie sie wollen, uns betrifft’s nicht. Sancta simplicitas! Südtirol, das werden wir zu spüren bekommen, lebt nicht von Südtirol allein.

Aber abgesehen davon. Immer öfter komme ich zur Überzeugung, es ist wichtig, dass ich meine kurze Parlamentarierzeit – lang ist’s ja nicht mehr hin – nicht nur mit Südtirol, mit Südtiroler Wehwehchen, verplempere. Natürlich haben wir Recht, uns und unsere Probleme wichtig zu nehmen. Aber welche haben wir denn? Und wer alles kümmert sich nicht schon darum? Wir sind manchmal doch, nein, nicht nur gut betreut, sondern ganz schön fürsorglich belagert.

Da mache ich es mir zur Pflicht, in diesen paar Jahren meines Parlamentarierdaseins mich auch anderer, fernerer, größerer Probleme anzunehmen. Ich halte auch das für Südtiroler Pflicht. Ich engagiere mich in diesem Sinn für Flüchtlinge, und zwar nicht nur am Brenner, sondern von Lampedusa bis dorthin. Ich habe mich in der zweiten Legislaturhälfte in den Europa-Rat gedrängt, weil es dort um Menschenrechte geht. Ich betreue dort den Minderheiten- und Antidiskriminierungsausschuss, und meine Kundschaft sind dabei, nein, nicht wir Südtiroler, sondern Sinti und Roma, Schwule, Lesben, Transen, die Kurden und die Armenier.

Übers Wochenende war ich zunächst in Pescara. Dort wollten junge Leute etwas über Alexander Langer wissen. Von dort ging’s nach Florenz zur Großkundgebung fürs Nein beim Referendum. Sind doch alles Südtirol-relevante Verpflichtungen, oder? Dafür musste ich daheim die Toblacher Gespräche schwänzen. Schade, aber bei der dort aufgetretenen Prominenz vernachlässigbar. Diese Woche fahre ich zu einer heiklen Wahlbeobachtung nach Georgien. Schön hat er’s! mag sich wer denken. Stimmt. Aber warum soll nicht Freude bereiten, was hoffentlich sinnvoll und hilfreich ist. Ich hab’s schön.

Florian Kronbichler


Flor now
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