Von beschränkter Haftung
Wieder war ich einmal von naivster Gutgläubigkeit. Noch Sonntag habe ich hier und auf Rai-Südtirol den neuen Ministerpräsident Paolo Gentiloni über den grünen Klee gelobt. Ich kenne ihn. Er hat mich für mein Alexander-Langer-Büchl gelobt, und letztes Jahr haben wir beide im Europaparlament in Brüssel die Gedenkrede gehalten zum 20. Todestag von Alexander Langer. Ich war also erfreut über seine Beauftragung als neuer Ministerpräsident.
Heute fällt mir dazu nur noch Adenauers Sager ein: „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern!“ Ich muss mich korrigieren. Wenn ich mir die Ministerliste ansehe: Renzi in Fotokopie, nur schlechter. Fast alle Minister bestätigt, vor allem die Nieten. Galletti für die Umwelt, wo er schon bisher nur Unheil anrichtete; Madia sollte die Verwaltung reformieren. Sie tut es seit drei Jahren nicht. Lotti – Gott sei Dank nur für den Sport. Es war zu befürchten, dass dieser Laufbursch Renzis die Geheimdienste bekommt. Es wäre wie der Spion in der Spionage-Abwehr gewesen.
Ich hätte Gentiloni den Ehrgeiz zugetraut, dass er sich von seinem Vorgänger Renzi stärker emanzipieren würde. Ich hätte ihm zugetraut, dass er natürlich das Wahlgesetz macht, dass er aber auch sonst etwas auf die Reihe brächte. Das Land lebt ja nicht von Wahlen und nicht von der Verfassung, auch nicht von einer reformierten. Das Land braucht Wirtschafts- und Sozialreformen, und zwar schnell.
Das kann diese Regierung alles nicht machen. Die darf wirklich nur das, was Renzi sie dürfen lässt: so schnell wie möglich seine Wiederkehr organisieren, durch vorgezogene Parlamentswahlen. Dann hat Gentiloni seine Schuldigkeit getan, und er kann gehen. Gentiloni – die Ministerliste beweist es – hat eine Regierung von sehr, sehr beschränkter Haftung.
Ich hätte getippt, Gentiloni würde eine Regierung bilden, die die Legislatur durchsteht. Warum nicht? Es ist eine Mehrheit da, eine Regierung – und es ist zu tun. Dieses Gegackere von „Voto subito“ ist die größte Scheinheiligkeit. Die Politiker haben Angst vor sich selber. Sie haben Angst, das Wutbürgertum könnte sagen, sie wollen die Legislatur zu Ende führen, um die Pension zu kassieren. Das tut es so und so. Ist doch lächerlich – es wäre unsere Pflicht, die Arbeit zu Ende zu führen.
„Voto subito!“ ist ein Davonlaufen vor der Verantwortung. Wenn es so was wie einen nationalen Notstand gibt, dann braucht es eine Regierung. Es herrscht Notstand. Notstand an Arbeit, an Bildung, an Geld. Was glauben wir, was der Grund war, dass das Referendum vom vergangenen Sonntag so niedergestimmt wurde: In Italien geht es schlecht. Und in Südtirol geht’s halt gut – deswegen haben die Südtiroler für Renzi gestimmt.
So ungefähr habe ich heute früh am „Morgentelefon“ der Rai-Südtirol im Gespräch mit Moderatorin Gudrun Esser und dem SVP-Gruppensprecher Daniel Alfreider mein Nein zur Regierung Gentiloni begründet.
Foto (Gilberto Cavalli): mit Paolo Gentiloni und Bürgermeister Caramaschi in Bozen.
Florian Kronbichler