Ladinergesetz: Warum ich trotzdem ja sage.
Heute wird die Abgeordnetenkammer über den Verfassungsgesetzentwurf zur Änderung unseres Autonomiestatuts und darin zum “Schutz der ladinischen Sprachminderheit in Südtirol“ befinden. Der Entwurf geht zurück auf Initiative der Abgeordneten der Südtiroler Volkspartei. Als Verfassungsgesetzentwurf muss er in zweifacher Lesung im Abstand von mindestens 3 Monaten jeweils von Kammer und Senat genehmigt werden. Die Abstimmung von diesem Mittwoch in der Kammer ist die erste.
Ich habe große Vorbehalte gegen den Inhalt und vor allem Form und Zeitpunkt dieser Gesetzesinitiative. Die rechtliche Gleichstellung der Ladiner mit der deutschen und der italienischen Sprachgruppe im Land, was die Besetzung der wichtigsten Institutionen anlangt (Landesregierung, Landtagspräsidium, Verwaltungsgericht, Autonomiekommissionen), ist verdient und überfällig. Sie behebt ein Versäumnis, das seit Inkrafttreten Südtirol-Autonomie anhält.
Diese notwendige Reparatur des Autonomiestatuts hätte jedoch besser im Rahmen einer Gesamt-Überarbeitung unserer Autonomie-Architektur erfolgen sollen. Eine solche wird allseits für notwendig erachtet, und es wird bereits an ihr gearbeitet. Ein Verfassungsgesetz wird nicht jedes Jahr durchs Parlament gebracht. Deswegen wäre das Anliegen des Schutzes der kleinsten Sprachgruppe im Land, und nicht nur im Land, ganzheitlicher anzugehen gewesen. Dieses Anliegen haben die Dolomitenladiner letzten Sommer bei dem 70-Jahre-Jubiläum der Union Generela di Ladins dles Dolomites am Sellajoch ausgesprochen und in einem Manifest verschriftlicht. Darin steht das Bemühen um eine größere, auch politische Einheit der heute auf drei Provinzen und zwei Regionen aufgeteilten Sprachgruppe an oberster Stelle. Wer die überstaatliche Europaregion Tirol als ein ernst zu nehmendes politisches Konstrukt lanciert, sollte eine provinzübergreifende Gemeinschaft aller Dolomitenladiner nicht als Fantasterei abtun.
Das Land Südtirol hat so wie die Provinz Trient die Überarbeitung der gemeinsamen Autonomie einem Konvent bzw. einer Consulta anvertraut. Darin arbeiten viele Bürgerinnen und Bürger auf eine neue, so genannte partizipative Weise seit einem Jahr unentgeltlich an Vorschlägen. Die Dolomitenladiner haben ihr Anliegen ausdrücklich diesen basisdemokratischen Gremien anvertraut. Wie sollen sich diese fühlen, wenn die repräsentative Politik sogar Verfassungsgesetze und Änderungen des Autonomiestatuts durch das Parlament peitscht, ohne den Autonomie-Konvent überhaupt zu informieren, geschweige um Rat zu fragen? Als würde der Autonomie-Konvent nicht schon von seinen eigenen Erfindern verantwortungslos ignoriert, jetzt fügt ihm das Parlament zum Schaden auch noch den Spott hinzu.
Es gäbe Gründe, dieses Verfassungsgesetz zu verwerfen, weil zu einseitig nur für die Südtirol-Ladiner gedacht, unzeitgemäß vorangebracht und für den wahren Schutz der Ladiner unzureichend, einen solchen vielleicht sogar präjudizierend. Ich habe meine Bedenken über die Weihnachtsfeiertage mit allerlei ladinischen Landsleuten besprochen, privaten und Amtsträgern. Sie haben meine Bedenken durchwegs geteilt. Gemeinsam aber einigten wir uns trotzdem darauf, zu nehmen, was dieses Reformgesetz den Südtiroler Ladinern gibt. Es ist nichts Anstößiges dran, nur nicht genug. Und dass das gewährte Wenige nicht das vorenthaltene Ganze gefährde, diesen Kredit wollen wir der SVP eröffnen. Mit dieser Begründung werde ich das Ja meiner Parlamentsgruppe SEL ankündigen.
Foto: Großes Ladinertreffen im letzten Sommer auf dem Sellajoch