Ladinergesetz: Der Schwindel wird zum Stolperstein.
Das so genannte Ladinergesetz ist diesen Donnerstag im Zweikammer-Ausschuss für Regionalangelegenheiten erst einmal gestoppt worden. Zur Erinnerung: Es ist der Entwurf zu einem Verfassungsgesetzt, mit dem das Autonomiestatut für Trentino-Südtirol so abgeändert werden soll, dass die ladinische Volksgruppe einige ihr bisher vorenthaltenen Rechte zugesprochen erhält. Der Gesetzesentwurf ist vor zwei Monaten von der Abgeordnetenkammer genehmigt worden. Bereits dabei hat der Südtiroler Grünen-Abgeordnete Florian Kronbichler die Parlamentarier mit dem Hinweis aufgeschreckt, der Gesetzesentwurf sei eine Mogelpackung.
Die Reform des Autonomiestatuts geschehe darin nur dem Namen nach und nur unter anderem zum Wohle der Ladiner. Viel gewichtiger und folgenschwerer sei, was der Ladiner-Abgeordnete Daniel Alfreider mithilfe oder auf Geheiß, jedenfalls auf Betreiben, seines Mentors Karl Zeller, in Form eines Abänderungsantrages darin eingeschmuggelt habe. Im letzten Abdruck, so dass Diskussion praktisch mit mehr möglich war. Mit einer unscheinbaren Formulierung, die man journalistisch gern als „blinden Passagier im letzten Waggon“ bezeichnet, wird darin die Hintertür zu einer Südtiroler Wahlrechtsreform aufgestoßen. Aus dem reinen Proportionalsystem, wie es im Autonomiestatut festgeschrieben steht, kann so das von der SVP angestrebte Mehrheitswahlsystem eingeführt werden.
Abgeordneter Kronbichler hat den Schwindel in seinen Redebeiträgen aufgedeckt und von einem „Ladinermissbrauch“ durch die Südtiroler Volkspartei gesprochen. Das Ladiner-Gesetz, gegen das niemand ist, wurde substantiell in eine Südtiroler Wahlrechts-Reform verdreht. Kronbichler bekam für seine Argumentation viel Zuspruch, aber bei der Abstimmung nicht genug Stimmen. Das vorgebliche „Ladinergesetz“ wurde in erster Lesung genehmigt und kommt demnächst im Senat zur Behandlung.
In Vorbereitung darauf hin muss der Zweikammer-Ausschuss für Regionalangelegenheiten ein Gutachten dazu abgeben. Kronbichler hat auf der einschlägigen Sitzung am Donnerstagmorgen den Sachverhalt dargelegt. Das Ergebnis: Das Ladiner-Gesetz wurde nicht mit positivem Gutachten durchgewinkt, sondern „zwecks näherer Prüfung vertagt“. Eine solche Vertagung kommt selten vor. Besonders verfangen hat bei den Ausschuss-Mitgliedern das Argument, wonach Initiativen der Regierung oder des Parlaments, die das Autonomiestatut abändern, vorab die Zustimmung des Regionalrats und der beiden Landtage von Trient und Bozen einholen müssen. Das ist zum „Ladinergesetz“ vor seiner ersten Lesung in der Kammer geschehen. Allerdings zu einem Entwurf, das die erwähnten blinden Passagiere noch nicht enthielt. Bereits die Landtagsabgeordneten der Fünf-Sterne-Bewegung als auch der Grünen haben in einem Beschlussantrag den Regionalrat aufgefordert, den abgeänderten Verfassungsgesetzesentwurf noch einmal zur Abstimmung in den Regionalrat und die Landtage zurückzuholen. Denn es sei nun „ein anderes Gesetz“. Der Antrag wurde von den Mehrheitsparteien abgeschmettert.
Nun wird zu sehen sein, ob Zweikammer-Ausschuss und Senat ihrerseits den abermaligen Weg über die Regional-, bzw. Provinzparlamente verlangen werden. Wahrscheinlich ist es nicht. Höchst fraglich ist jedoch, warum diese sich der Prozedur verweigern. Nur den Ladinern zuliebe, ist auszuschließen. Sie schaffen damit nämlich einen Präzedenzfall, der sich leicht gegen sie selber und gegen die Autonomie insgesamt kehren könnte. Ändert morgen Regierung oder Parlament auch nur einen Beistrich am Autonomiestatut, ohne Land und Region vorher um deren Meinung zu fragen, werden Bozen und Trient protestieren. Rom kann dann sagen: Warum so empfindlich? Ihr habt damals, „bei den Ladinern“ doch auch auf jede Mitsprache verzichtet. Wenn jetzt dem Ladinergesetz die Zeit davonläuft (Verfassungsgesetzes-Entwürfe müssen jeweils zweimal beide Kammern durchlaufen und mit Legislatur-Ende verfallen sie), dann ist der Schuldige schon ausgemacht: Es war der Abgeordnete, der den „Ladiner-Missbrauch“ aufgebracht hat.
Florian Kronbichler