Schnellschuss Impfzwang
Den Anfängen muss gewehrt werden, und Mobilisierung ist nie falsch. Mit der Ankündigung, die Impfpflicht zu verschärfen, auszuweiten und mit drastischen Sanktionen zu befeuern, hat die italienische Regierung Panik unter der Bevölkerung verbreitet. Das allein war schon unverantwortlich. Ein zwingender Anlass dazu war nicht erkennbar. Zu dem hochsensiblen Problem, gleich wie zu dem Umgang der Regierung damit, gibt es zudem keine sichere Information. Was man weiß, ist, dass die Regierung ein Dekret erlassen hat, und was Regierungschef Gentiloni und Gesundheitsministerin Lorenzin auf einer Pressekonferenz dazu gesagt haben.
Der Rest ist Medienspekulation. Schwarz auf weiß lag das Dekret bis Dienstag dieser Woche nicht vor. Nicht einmal dem Parlament. Es entspricht jener Unart, wie die Regierung nach dem Vorbild von Gentilonis Vorgänger und Strippenzieher Renzi vorgeht: ankündigen, Krawall machen und die Fakten erst liefern, je nachdem, wie der Widerhall auf die Ankündigung ausfiel.
Impfung und Impfpflicht sind ein so heikles Thema, dass es die Regierung zumindest auf wissenschaftlicher Grundlage und anhand sicherer Daten behandeln sollte. Im konkreten Fall geschieht das nachweislich nicht. Eine Parlamentarier-Abordnung sprach gestern, Dienstag um Auskunft in der staatlichen Pharma-Agentur Aifa, ihrem Präsident Vella und Generaldirektor Melazzini vor. Diese erklärten, zuverlässige Daten über gemeldete Impfschäden und Gegenindikationen „aus technischen Gründen“ nicht vorliegen zu haben und solche erst gegen Mitte Juni liefern zu können.
Der Umstand ist schwerwiegend. Er bedeutet, dass das Parlament sowieso nicht, aber nicht einmal die Regierung und ihr Gesundheitsministerium zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Impf-Dekrets sichere Informationen über die herrschenden Verhältnisse hatte. Sie hat somit nicht nur undemokratisch, sondern auch inkompetent die Anzahl der Pflichtimpfungen erhöht, die Freiheit in der Wahl der Heilmittel eingeschränkt und schwer ins Elternrecht eingegriffen.
Der genaue Wortlaut des Impfdekrets der Regierung ist dem Parlament für diesen Freitag versprochen. Es ist anzunehmen und zu hoffen, dass der Proteststurm, der bereits auf die Ankündigung hin aufgebrandet ist, in der dann veröffentlichten Verfügung erkennbar Niederschlag gefunden hat. Den Rest muss das Parlament liefern.
Foto: Gesundheitsministerin Beatrice Lorenzin
Florian Kronbichler