Florian
Kronbichler


Hat ein Brieflein gschriebm. Autonomiefeier und Konvent: Was der Landeshauptmann mir etwa sagen wollte.

 

Als ich gestern heimkam, lag ein Brief da mit der Absender-Aufschrift: „Der Landeshauptmann von Südtirol“. Ich dachte an eine nächste Einladung. Landeshauptmann Kompatscher lädt gern zu landesamtlichen Ereignissen, und im Unterschied zu seinen Vorgängern tut er dies konsequent überparteilich. Es gab Zeiten, als Oppositionspolitiker montags aus der Zeitung lesen mussten, dass am Sonntag ein Staatsempfang war. Wenn Kompatscher „die Südtiroler Parlamentarier“ einlädt, dann bin ich in der Regel mitgemeint, und er setzt mich auch nicht an irgendeinen Katzentisch.

Öffnete ich also den Landeshauptmann-Brief. Es war keine nächste Einladung, nein, es war ein Dankesschreiben dafür, dass ich der letzten gefolgt war, und zwar jener vom 11. Juni nach Meran zum 25-Jährigen der Streitbeilegungserklärung in Anwesenheit der Staatspräsidenten von Italien und Österreich. Kompatscher heißt es in dem Schreiben eine „Feier der Südtiroler Autonomie“ und bescheinigte mir, durch meine Teilnahme „ein wichtiges Zeichen gesetzt“ zu haben.

Nun möchte ich die Geste des Landeshauptmannes nicht überinterpretieren. Doch um sie nur als reine Höflichkeit abzutun, erscheint sie mir zu außerordentlich in Aussage, Zeitpunkt und Beziehungsreichtum. Der Dankesbrief ist mit dem 4. Juli datiert. Das „Autonomie-Fest“ von Meran fand am 11. Juni statt. Klar, das Landeshauptmann-Büro hat Dringenderes zu tun, als Höflichkeitsadressen zu versenden. Aber fast einen Monat post festum? Ist es ganz abwegig zu vermuten, Kompatscher könnte sich etwas dabei gedacht haben? Denn es ist parallel zu der „Feier der Automie“ und in einem bestimmten Kontrast dazu doch auch sonst allerhand Politisches passiert.

Ich denke an den Abschluss des Südtirol-Konvents, ursprünglich genannt Autonomie-Konvent, und die Polemiken um diesen herum. Man müsste politisch schon sehr zerstreut sein, um zwischen dem Autonomie-Fest von Meran und dem Autonomie-Konvent in Bozen nicht einen krassen Widerspruch zu erkennen. Dort wurden sprachgruppenübergreifende Befriedung und Autonomie als Erfolgsgeschichte beschworen, und eben „Streitbeilegung“ nicht nur begangen, sondern feierlich erneuert. Hier hingegen, beim Konvent: die real existierende Autonomie als überholungsbedürftig beklagt, die Spaltung zwischen Deutsch und Italienisch vertieft, Begriffe und Forderungen bemüht, die nicht nur nichts zu tun haben mit Autonomie, sondern nach allgemeinen Verständnis und in der Wahrnehmung zumindest des Großteils der italienischen Südtiroler das Gegenteil von Autonomie sind.

Oder war die ausgehandelte Gegenleistung für deren Ja zum Autonomiestatut vor 45 Jahren und zur Streitbeilegung mit Österreich vor 25 etwa nicht unser Verzicht auf die Selbstbestimmung? Das Beharren auf der Selbstbestimmung im Abschluss-Dokument des Konvents ist die Widerrufung der Autonomiebekundungen von Meran. Das nicht so zu sehen oder noch schlimmer: es den Italienern zu verargen, dass sie es so sehen und es allmählich mit Angst zu tun bekommen, ist bestenfalls politische Gespürlosigkeit, verantwortungsloses Doppelspiel.

Das Schlussdokument, das die Mehrheit des Rats der 33 des Südtirol-Konvents verabschiedet hat, nimmt dem Meraner Autonomie-Fest die Glaubwürdigkeit. Was auf diesem an Zuversicht und Gemeinsamkeit gestiftet wurde, ist die Woche drauf vom Konvent zerrüttet worden. Die Italiener haben die Bestätigung geliefert bekommen für ihr Misstrauen allen Autonomie-Sachwaltern gegenüber: „Seht her, die reden nur so. Betreiben tun sie was ganz anderes.“ Die Grundlage des friedlichen Zusammenlebens ist Vertrauen, und die Grundlage für Vertrauen ist Verlässlichkeit. Wer auf Sonntag, den 11. Juni, den Freitag, 30. Juni, hat folgen sehen, vertraut nicht mehr gern auf eine verlässliche Autonomie-Politik.

Müssen wir deshalb besorgt sein? War ich naiv, weil ich vom Autonomiefest von Meran begeistert war? Ist Autonomie Sonntagsgerede und Konvent die politische Realität? Mein Freund Riccardo Dello Sbarba, wahrscheinlich der fleißigste Mitarbeiter des Konvents und ganz bestimmt kein „Disagio“-Italiener, sieht es so: Die SVP sei drauf und dran, den Boden des Autonomie-Konsenses zu verlassen und lasse sich von Schützen und Rechtsparteien ins Schlepptau nehmen weg aus der verhassten Klammer mit der Region und hin zu der Chimäre Selbstbestimmung. Dass zudem Luis Durnwalder sich zu deren Wortführer im Konvent aufschwingt, lässt Riccardo doppelt Schlimmes ahnen: Der Altlandeshauptmann sei nicht dafür bekannt, dass er verlorene Schlachten schlägt. Zwar dürfte er selber nicht glauben an die Verwirklichbarkeit von Selbstbestimmung oder auch nur eines „Los von Trient!“, doch werde er sehr wohl glauben an den Zweck einer stetigen Forderung danach. Net lugg lassn! Immer mehr fordern, als zu haben ist. Das sei seine Strategie. Und genau das lasse Südtirol nicht zur Ruhe kommen, würde den Italienern das Vertrauen in die Autonomie nehmen und die Sprachgruppen auseinandertreiben. Kurz: Riccardo sieht in dem von uns allseits beklagten Ausgang des Konvents nicht den Ansatz zu einer partezipativen Reform der Autonomie, sondern eher deren Aushebelung durch eine Gegenreformation.

Ich sehe das nicht so dramatisch und finde dafür Bestätigung in dem doch unüblichen Dankesbrief des Landhauptmannes Arno Kompatscher. Denn wozu schrieb er ihn wohl? Doch ganz gewiss nicht, um uns Gäste alle glauben zu lassen, wie überwältigt er war, dass wir da waren. Nein, ich glaube, er wollte uns einen Wink geben: Hallo, Südtirol, fürchte dich nicht! Das real existierende, real regierte Südtirol, das war Meran, wo die Autonomie „gefeiert“ wurde. Ich frage: Aber der Südtirol-Konvent? Kompatscher (unausgesprochen): Was geht mich das Geschwätz …

Es mag deprimierend sein für alle, die an den Konvent geglaubt und sich darin engagiert haben, aber ich behaupte zu wissen, der Landeshauptmann und alle seine wichtigsten Autonomie-Strategen um ihn haben an diesen Konvent nie geglaubt und tun das weiterhin nicht. Sie haben ihn gewähren lassen. Zu keinem Zeitpunkt, das wette ich, haben sie dran gedacht, die Weiterschreibung des Autonomie aus ihren bislang für bewährt befundenen Händen zu legen und sie auch nur ansatzweise einem demokratisch wie auch immer gearteten Gremium anzuvertrauen. Autonomiepolitik ist seit Anbeginn Geheim- und Hinterzimmer-Politik, entzogen jeder parlamentarischen Mitsprache, nach demokratischem Verständnis undemokratisch, jedoch nach allgemeinem Empfinden erfolgreich. Und so wer soll je einen Systemwandel gewollt haben?

Es war zynisch und mag fahrlässig gewesen sein, auch vom Landeshauptmann, ein Als-ob-Parlament, als was der Konvent dargestellt wurde und gutgläubige Mitglieder ihn verstanden, ein Jahr lang arbeiten zu lassen. Es wurden Hoffnungen geweckt, die zu erfüllen von Anfang an nicht gedacht war. Es gab keine ausgewogene Besetzung, weil es den politisch Verantwortlichen wurscht war. Der Vorwurf an die Italiener, sie seien selber schuld am Ergebnis, weil sie nicht mitgearbeitet hätten, geht ins Leere. Spätestens im Nachhinein haben sie eher die Bestätigung, dass sie diejenigen waren, die schon wussten, dass es um den Konvent von Anfang an nicht der Mühe wert war.

Drum, was ich sagen wollte: Das mit dem Südtirol-Konvent war ein Schwindel. Ein Demokratiespiel mit der Autonomie, und eine Minderheit nahm es ernst. Weil sie die Chance sah, einmal Mehrheit zu sein. Das darf jetzt natürlich alles nicht so gewesen sein, insbesonders nicht aus dem Mund des Landeshauptmannes. Denn es war fies, auch von ihm. Und ziemlich einige haben das Spiel ernst genommen. Das ist ein Problem, auch für den Landeshauptmann. Deshalb hat er es für geraten erachtet, uns zu beschwichtigen, und hat ein Briefl gschriebm: Lieb Südtirol, magst ruhig sein: Es gilt Meran. Dort wurde „die Südtiroler Autonomie gefeiert … Für die Teilnahme an dieser bedeutenden Veranstaltung möchte ich mich bei Ihnen sehr herzlich bedanken. Sie haben dadurch ein wichtiges Zeichen gesetzt.“
Nichts zu danken, lieber Landeshauptmann. Ich sehe es genauso.

Florian Kronbichler

Flor now
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