Florian
Kronbichler


Offener Brief an den Herrn Außenminister der Republik Österreich Sebastian Kurz, auf Besuch in Südtirol.

 

Geehrter Herr Bundesminister,

Grüß Gott und willkommen bei uns in Südtirol. Wie Ihr Gastgeber, Landeshauptmann Arno Kompatscher, uns wissen ließ, werden Sie mit ihm über das Problem der Flüchtlinge und unseres Umgangs damit sprechen. Sie werden dabei auf die Rolle des Brennerpasses zu sprechen kommen und damit zusammenhängend sicher auch auf Verlautbarungen und Missverständnisse, die jüngst für Aufregung gesorgt haben. Wir begrüßen Ihren Besuch bei unserem Landeshauptmann auch deshalb, weil wir dessen Haltung in der Flüchtlingsfrage und insbesondere zum Thema Brennerpass anerkennen und teilen. Selbstredend wissen wir auch zu würdigen, welche Leistungen Österreich und darin speziell unsere Nachbarn im Bundesland Tirol einschlägig erbringen. Im Vergleich sind Belastung und Leistung des Landes Südtirol immer noch bescheiden.

Verargen Sie uns aber nicht, geehrter Herr Minister, dass uns einige Ihrer Aussagen irritiert haben. Sie haben vergangene Woche bezogen auf den Brennerpass einen Notstand herbeigeredet, den es nicht gab und weiterhin nicht gibt. Sie persönlich wurden in den Medien mit der Aussage zitiert: „Wir werden unsere Brennergrenze schützen!“. Dieser Satz hat in unserem Land gleich mehrfach Empörung hervorgerufen und Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Schutzfunktionserklärungen seitens Österreichs geweckt. Wir werden nie an eine Gefahr durch Menschen auf der Flucht glauben. Wer fliehen muss, ist kein Gefährder. Sowohl südtirol- als auch nordtirolseits sind Flüchtlinge am Brenner stets gastfreundlich und hilfsbereit behandelt worden. Natürlich ist der Brenner eine Staatsgrenze. Jedoch haben ihm mittlerweile nicht nur die Angrenzländer einen Ausnahmecharakter unter den Staatsgrenzen zuerkannt. Europaweit wird ihm ein Symbolwert für das Europa ohne Grenzen beigemessen. Es wäre eine Kapitulation des Europagedankens, wenn ausgerechnet an diesem Brenner sich wieder Schranken senken würden, und dies nicht gegen irgendwelche Aggressoren, sondern ausgerechnet gegen Menschen, die Rettung suchen.

Verstehen Sie auch, Herr Minister, wie es in Südtiroler Ohren klingen muss, wenn ein höchstrangiger Vertreter des Schutzfunktionslandes Österreichs sagt: „Wir werden ‚unsere Brennergrenze’ schützen“. Kein österreichischer Politiker von Bedeutung dürfte je von „unserer Brennergrenze“ gesprochen haben. Wir sind keine „Unrechtsgrenze“-Nostalgiker, doch den österreichischen Außenminister von „unserer Brennergrenze“ sprechen zu hören, befremdet uns. Auch glauben wir zu wissen, dass durch die jüngste Dramatisierung des Flüchtlingsproblems am Brenner das gutnachbarschaftliche Verhältnis zwischen Österreich und Italien getrübt wurde. Die Ermahnungen an die Adresse Italiens, es möge doch besser seine Außengrenzen schützen, werden hier als unbefugte Belehrung empfunden und schüren nur Ressentiments.

Geehrter Herr Bundesminister, wir wünschen Ihnen ein gutes Gespräch mit unserem Landeshauptmann, zum Wohle der Menschen in Südtirol, inklusive jener, die auf der Flucht in dieses Land kamen.

Florian Kronbichler,

Parlamentsabgeordneter der Grünen und des Movimento democratico e progressista


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