Florian
Kronbichler


Das „Neo“ an der Geschichte.

Die Tagung des Global Forum zum Thema „Neo-ökologische Vielfalt, Südtirols Chance zur Einzigartigkeit“.

Gelegentlich muss ich mich widerlegen lassen. „Neo-ökologische Vielfalt“ lautete der Titel der Tagung, und der Veranstalter hieß „Global Forum Südtirol“. Veranstaltungsort: die Europäische Akadamie. Auch das noch! Nie wäre ich freiwillig an einem schönen Herbstnachmittag in diese so intellell tuende Eurac gegangen, um darin auf Einladung eines Clubs mit einem derart gespreizten Namen eine Tagung von solch geschwollenem Titel zu besuchen. Ich tat es, weil die Grünen gerade Personalnot hatten (zu gleicher Zeit wurden im Landtag die Abschlussberichte des Autonomie-Konvents vorgestellt), und so wurde ich gebeten auszuhelfen. Mach ich, beschied ich, mir denkend: besser als mir den Konvent-Seich anzuhören …

Dann war’s ein Wetterleuchten Südtiroler Landwirtschafts-Visionen. Vier Stunden und fünf Vorträge lang eine Generalabrechnung mit der herrschenden, konventionellen, heißen wir sie „integrierten“ Agrar-Politik und gleich viele Vorschläge, Beweise und Beispiele, dass es anders, innovativ und, logisch, biologisch besser geht. Es sprachen Wissenschaftler, Umsattler von konventionell auf biologisch und solche, die es von vorn herein schon „richtig“ angingen. Alles Erfolgreiche, versteht sich, und ein jeder, der anfangs als Spinner verlacht wurde und schließlich als Winner dastand. Einer, der bekannteste, nämlich Johannes Gutmann, Erfinder und Chef des Kräuter-Großkonzerns „Sonnentor“, war der leibhaftige Beweis, dass einer selbst als Winner erfolgreich Spinner bleiben kann.

Es ist undankbar, einen guten Vortrag nachzuerzählen. Und es waren fünf gute Vorträge. Man wird sie sicher noch zum Nachlesen bekommen. Der Veranstalter hat eine zu gute Auffassung von sich, als dass er sein Produkt nicht multimedial wiederverwerten würde.

Aber es waren ja nicht nur und nicht eigentlich die Vorträge, die mich in meiner Vorurteilspflege widerlegten. Mir stellten sich schon beim Titel die Rückenhaare auf: „Neo-ökologische Vielfalt“! Nach Logik ein Mumpitz mal drei. Schon ökologisch allein: jähh! Ökologische Vielfalt? Ein weißer Schimmel! Öko ist vielfältig, und ist es das nicht, ist es nicht ökologisch. Und erst das Neo! Fand ich schlicht frech! Aha, die feschen Yuppies vom Global Forum reißen sich jetzt die Ökologie unter den Nagel. Mit unsereinem wollen sie aber nichts zu tun haben. Wir, Grünen, Umweltschützer, Heimatpfleger, wir wären die Alt-Ökologischen. Wir stinken. „Neo-ökologische Vielfalt“? Man muss nicht wehleidig sein, um als Altöko solches als feindliche Übernahme zu empfinden.

Es war dann keine solche. Wenn für einmal ich frech werden darf, es wurde an diesem Freitagnachmittag in der Eurac des Global Forum gar nichts „Neo“ aufgetischt. Es waren „die Toblacher Gespräche 20 Jahre danach“. Ich sagte das in der Pause in kleiner Runde, denn etwas Vergangenheitsverklärung muss einem Altgrünen erlaubt sein. Das mit den 20 Jahren war so hingeworfen, unbewiesen. Inzwischen habe ich nachgesehen, denn die Toblacher des unvergessenen Hans Glauber führen sehr akkurat Buch, und es war zu milde geschätzt: 1987 war es, vor 30 Jahr! „Zukunft der Landwirtschaft – Landwirtschaft der Zukunft“ hieß es. Und die Aussagen waren die gleichen wie heute, grosso modo.

Drum was war das „Neo“ dran, Freitag in der Eurac? Das Publikum! Das Publikum, und das ist nicht wenig. Damals, mit Hans Glauber in Toblach, war zu den paar Öko-Predigern, vornehmlich aus Deutschland, das zu jener Zeit ergrünende alternative Völkl gekommen, mehr aus norditalienischen Städten denn aus Südtirol selbst, von der bäuerlichen Zunft einige Exoten und landbekannte Nörgler. Mich deucht, der querschädlige Leserbrief-Bauer Fulterer war schon dort. Die Vision war die gleiche, die Gläubigen aber: waren das Gegenteil. Der große Saal der Eurac war besetzt bis auf den letzten Platz. Nach Prominenzen und Outfit zu urteilen, hätte es die Vollversammlung der Handelskammer oder des Unternehmerverbands sein können, erweitert um angemessen verkleidete Studenten, soviel Anzug und Krawatte war da (es war unter Dresscode „business attire“ gewünscht worden). Als einziger Toblacher-Gespräche-Überlebender von damals wäre dem Aussehen nach Salto.bz-Chef Christoph Franceschini ertappt worden, aber der tritt überall so auf.

Sage jetzt niemand, mich habe die 2017er Neo-Version von Toblach 1987 befremdet oder gar eifersüchtig gemacht. Im Gegenteil, Freude hat mich erfasst. Ich sah den Beweis erbracht: Was Toblach säte (sagen wir bescheidener: träumte), ist aufgegangen. Das Minderheitliche wird mehrheitlich. Öko-Landwirtschaft hat die Eliten für sich gewonnen und schon die Meinungsführerschaft im Land übernommen. Das ist das „Neo“ an der Geschichte.

Am Buffet in der Pause hatte sich herumgesprochen, dass der Bauernbund die Veranstaltung boykottiert habe. Der momentan wenig Bauernbund-affine Bauernlandesrat Schuler bestätigte das genauso wie der selbst anwesende Alt-Landeshauptmann und Alt-Bauernbunddirektor Durnwalder. Der Fall ist bezeichnend und schade. Doch es wird dem mächtigen Bund nicht helfen, die Zeichen der Zeit zu ignorieren. In meiner Wortmeldung wagte ich die Prophezeiung, „wir werden es erleben, dass der Bauernbund den Vinschger Ökobauer Alex Agethle als Festredner bei der Bauernbund-Landesversammlung im Waltherhaus auftreten lässt“. Die Wette gilt.

Floria Kronbichler


Flor now
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