Von Aristoteles und heutigen Demokraten
Hab mir ein ruhiges Wochenende genehmigt. Freitag Abend zunächst Besuch der internationalen Tagung der „Initiative für mehr Demokratie“ im Pastoralzentrum. Es ging um die direkte Demokratie, und deswegen vielleicht ganz logisch, dass so gut wie keine „repräsentativen Politiker“ da waren. Einzig, außer mir, die Landtagsabgeordnete Magdalena Amhof, die als Einbringerin des einschlägigen Gesetzesentwurfs zu Grußworten vorbeikam. Moderatorin Gudrun Esser führte ein fiktives Interview mit Aristoteles. Der Philosoph zitierte mittels eines Sprechers aus seiner Politiká, in der er vor bald zweieinhalbtausend Jahren die direkte Demokratie als die dem mündigen Bürger gemäße Staatsform darstellte.
War ganz lustig. Anschließend sprach Stephan Lausch, Vater und Verweser der direkten Demokratie im gegenwärtigen Südtirol. Es war eine Abrechnung mit jeder Form repräsentativer Demokratie und der in einer solchen üblichen Wahlen. Im Vergleich zu Stephan musste Aristoteles, der Urahn der direkten Demokratie, einem als sehr pragmatischer Realpolitiker erscheinen. Bei aller Unzulänglichkeit herrschender Politik und ihrer Politiker, der ultimativen Abrechnung mit ihr und der Verklärung basisdemokratischer Herrlichkeit, wie Stephan sie am Freitagabend vornahm, nein, der vermag ich nicht zu folgen.
Den Abend beschloss eine Diskussion mit vier recht interessanten, sagen wir: der direkten Demokratie wohl gesinnten Bürgermeistern als da waren: Rosmarie Burgmann von Innichen, Martin Fischer von Kurtatsch, Tobia Moroder von St. Ulrich und Uli Veith von Mals. Sie versöhnten mich wieder mit der Tagung und gaben mir Zuversicht: Ja, es ist doch wert, Demokratie immer wieder neu zu wagen. Und es auch auf eine neue Demokratie zu lassen.
Später am Abend trafen wir uns in Oberau zu einer Versammlung unter Bozner Genossen des Movimento democratico e progressista (MDP). Ich berichtete davon, was sich auf römischer Ebene alles so tut (und besonders nicht tut), um die verschiedenen Grüppchen, Parteichen und Persönchen der Linken einigermaßen zu einer einheitlichen Bewegung zusammenzubringen. Zwar versuche ich die Mahnung meiner Frau , „Zuversicht zu zeigen“, ernst zu nehmen, doch es fällt mir schwer. Die Verhältnisse sind nicht danach.
Zu dem großen MDP-Konvent, der heute stattfand, bin ich nicht nach Rom gefahren. Ich finde es beeindruckend und von Mal zu Mal betrüblicher, mit welcher Selbstverständlichkeit Parteien und Teile von Parteien ihre Leute aus ganz Italien sonntags nach Rom einberufen. Zu Versammlungen, die regelmäßig ohne zwingende Tagesordnung ablaufen und ohne irgend einen Beschluss enden. Ich habe meinen Protest dagegen bereits mehrmals deponiert. Diesmal habe ich meinen Dissens durch Absenz ausgedrückt.
Morgen früh fahre ich nach Rom und fliege am Abend für zwei Tage nach Bukarest. Dort finden auf Initiative des Europarates Beratungen über und mit Roma- und Sinti-Minderheiten statt. Ich bin im Europarat Mitglied des Ausschusses für Gleichheit und Anti-Diskriminierung und bin auf der Roma- und Sinti-Tagung in Bukarest einziger Vertreter Italiens.