Das war’s. Wie war ich?
Nach fünf Jahren Parlamentarierleben gesagt, erlaubt mir die Anmaßung: ganz brav. Ich war Volksvertreter. Und was mir stets wichtig war und was in Südtirol oft nicht so gesehen wird: Ich fühlte mich Vertreter des gesamten Staatsvolkes. So wie die Verfassung es für einen Parlamentarier vorsieht.
Ich war anwesend, und zwar immer, es sei denn, ich war in parlamentarischer Mission in Europa unterwegs. Manche, auch Parlamentarierkollegen, halten von Anwesenheit nicht viel. Ich halte das für arrogant und Dienstpflichtverweigerung: Ich sage: Da zu sein, mitzureden und abzustimmen, mag nicht die vornehmste aller Parlamentarierpflichten sein, aber es ist das Mindeste.
Ich war Vollzeitpolitiker, das Gehalt war auch ein Vollzeitgehalt. Ich habe während meiner 5 Jahre Parlamentarier-Dasein keine Aufträge angenommen, die nicht politisch wären, und auch keine Einladungen. Das tut man nicht.
War ich Südtiroler Parlamentarier?
War ich. Aber ich fühlte mich nicht dafür da, um Privatangelegenheiten von Südtirolern zu erledigen. Der Parlamentarier ist kein Botengänger in Rom und kein Türöffner. Ich weiß, dass das sehr beliebt ist und Kundschaft verschafft. Ich habe da meine besondere Sicht vom Problem. Jeder Akt, dem der Politiker nach-„hilft“, schädigt einen anderen. Jeder Zettel, der aus dem Stapel von unten hervorgeholt wird, lässt einen anderen tiefer fallen. Ich weiß, ich kann intervenieren. Aber man tut dann etwas, was man nicht tut.
Für Südtirol etwas herausgeholt?
Auch. Ich anerkenne neidlos, dass es Kollegen gibt, die viel für Südtirol herausholen. Ob alles immer auch gut ist, ist eine andere Frage. Es erzeugt Neid. Und ob das gut ist? Zufrieden zu sein, halte ich nicht für Verzichtpolitik, sondern für politisch klug. Unser Verhalten gegenüber Rom sehe ich manchmal wie das früher gegenüber der „Stillen Hilfe für Südtirol“. Wir schämten uns für nichts. Es musste zuerst der Skandal kommen, bevor wir aufgehört haben zu betteln.
Wofür bleibe ich in Erinnerung?
Ich bin so selbstbewusst, um zu behaupten, es hat Südtirol nicht schlecht getan, dass es mit mir den ersten deutschsprachigen Parlamentsabgeordneten außerhalb der Südtiroler Volkspartei gegeben hat. Ich habe das Südtirol-Bild im Parlament ergänzt und glaube, nicht zum Schlechteren. Ich habe mich sicher am meisten zu Wort gemeldet, habe über Franz Thaler gesprochen, damit alle wissen, dass wir nicht alles nur Nazis waren; über das Flüchtlingsproblem am Brenner, weil es nicht nur in Lampedusa eines gibt. Ich war im Europarat und habe mich dort um Minderheitenrechte gekümmert, und zwar nicht nur um sprachliche.
Kollege Abi Plangger hat in seiner Stimmabgabe-Erklärung zum Wahlgesetz offenherzig gestanden, dass die Südtirol-Klauseln darin „natürlich nicht demokratisch“ seien, um gleich hinzuzufügen: „Aber für eine Minderheit ist es besser, wenn sie nur mit einer Stimme spricht“.
Ist Ansichtssache. Meine ist es nicht. Ich bin der Meinung, auch Südtirol muss mehr Demokratie wagen.
Wie hielt ich’s mit der SVP?
Ich anerkenne ihre Verdienste. Sie verstehen ihr Geschäft, und ich sah den Sinn meines Daseins nie darin, den Kollegen darin Konkurrenz zu machen. Sie machen das gut. Ich habe andere Schwerpunkte gesetzt und darin nicht Konflikte gescheut. Ich sehe kein Drama darin, dass wir die Toponomastik nicht gelöst haben. Es hätte nur Streit gebracht, davon haben wir sonst genug. Ich habe für die kleinen Krankenhäuser gekämpft, gegen TTIP, Ceta, Glyphosat, habe den Malsern das Anti-Pestizid-Referendum gerettet, wo immer es um Rechte, um Freiheiten ging, gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften, Sterberecht, Frauen-Gleichberechtigung, Staatsbürgerschaft, da war ich immer aktiv dabei. Da hat man oft gestaunt: dass diese Südtiroler einmal nicht nur um Geld und Zuständigkeiten für sich betteln. Dieses Klischee besteht nämlich.
Worauf ich stolz bin?
Dass ich immer, immer!, mit dem Zug nach Rom gefahren bin. Dank dem Antiflughafen-Referendum mussten das seit einiger Zeit auch die Kollegen. Ich hoffe, dass sie auf den Geschmack gekommen sind und dabei bleiben.
Dass ich das reichliche Geld, das wir bekommen, so verwendet habe, wie versprochen. Ich war der großzügigste Parteienfinanzier des Parlaments und habe mit dem, was übrig blieb, Umwelt- und Sozial-Initiativen unterstützt.
Dass ich entgegen allgemeinen Gerüchten nie die Parlamentsgruppe gewechselt habe. Ich blieb, wo ich war – nur die Gruppen unter meinem Hintern haben sich geändert. Das bedauere ich, aber vermochte es nicht zu verhindern.
Dass ich das Südtirol-Bild in Rom erweitert habe. Ich habe es demokratisiert.
Was ich tun werde?
Ich bin als Journalist in Pension, und demnächst auch als Parlamentarier. Ich bekomme also eine Pension und brauche nicht viel. Wie jeder alternde Mensch möchte ich noch gebraucht werden. Ich werde also weiter arbeiten, etwas anderes habe ich ja nicht gelernt, aber ich brauche damit nicht mehr Geld zu verdienen. Drum: Glück gehabt, und ich dank dafür. Auch euch allen. Alles Gute zum Neuen Jahr!
Florian Kronbichler