Florian
Kronbichler


Minderheitenrechte, diesmal sexuelle.

Waren zwei anstrengende Tage, ich als alleiniger Italienvertreter beim Europarat-Ausschuss für Gleichbehandlung in Kopenhagen. Gestreng schon die Umstände. Ich muss mich schon an die Kindheit zurückerinnern, dass ich je so zu kalt hatte wie Mittwoch-Donnerstag hier in der dänischen Hauptstadt. Da entschuldigten sich selbst die sonst so patriotischen Dänen mit Sibirien. Im Sinn von: es sei nicht ihr eigene, skandinavische Kälte gewesen. Wofür ich sie aber bewunderte: Sie fahren trotzdem alle mit dem Fahrrad. Und wie sie fahren! Ich habe nie Radfahrer, vor allem Frauen, so schnell durch die Stadt brausen gesehen.

 

Getagt haben wir freilich schon im Warmen, und zwar im Parlament, was – Ironie der Demokratie! – im Königspalast untergebracht ist. Wir haben den ersten Tag über den Schutz für allerhand benachteiligte Minderheiten beraten. Über Behinderte, besonders geistig Behinderte in Gefängnissen zum Beispiel. Einen Gutteil des Nachmittags dann über Sprachminderheiten. Hier warb ein Vertreter der deutschen Minderheit in Süddänemark (einer besonders gut geschützten Minderheit übrigens) um Unterschriften für das „Minority Safe Pack, das in diesen Tagen ja auch von der SVP und von den Dolomiten sehr beworben wird. Mir ist an dieser Initiative der FUAN nicht alles geheuer, und ich erklärte das auch. Es fällt auf, dass das Gros der bisher gesammelten Unterschriften aus Ungarn, Rumänien, Spanien (Katalonien) und den baltischen Staaten stammen. Die Minderheitenpolitik ausgerechnet dieser Staaten scheint mir wenig vorbildlich zu sein.

 

Origineller waren Thema und Repräsentanten vom Freitag: Zur Diskussion stand die rechtliche Lage von LGBTI-Menschen. LGBTI steht für Lesben, Gay, Bi- und Transsexuelle. Den Skandinaviern, aber auch den Spaniern, geht dieses doch recht sperrige Kürzel so leicht vom Mund, dass man bald versteht: entsprechend selbstverständlich und weitreichend ist die Rechtslage für diese sexuellen Minderheiten in den genannten Ländern. Italien und Deutschland haben mit Gesetzen zur Ehe für alle letztes Jahr nachgezogen. In Österreich müssen LGBTI-Menschen immer noch und unter der Rechtsregierung wohl weiterhin auf die dafür recht mutige Rechtsprechung der Gerichte setzen.

Eindrucksvoll war der Auftritt eines von zwei schwulen Vätern mit ihrem gemeinsamen Sohn. Vater Jesús Santos erzählte, wie er und sein mit ihm verheiratete Partner das Familienleben mit ihrem 15jährigen Sohn Gabriel gestalten. Gabriel selber schilderte, wie normal er das finde und wie er mit dieser für Außenstehende doch besonderen Normalität in Schule und im Freundeskreis umgehe.

 

Das Interesse an dem Thema war groß. Erstaunlich viele „Betroffene“ (dummes Wort!) hörten den Referaten zu und mischten sich in die Diskussion ein. Der Ruf nach vollwertiger Anerkennung ist groß und länderübergreifend. Mir wurde wieder einmal so recht die eigentliche Bedeutung des Europarates bewusst: Er hat sich um Menschenrechte zu kümmern, und gerade in diesem verdrängten Bereich geschlechtlicher Identität und Vielfalt gibt’s noch viel Recht durchzusetzen.

 

Inzwischen ist die sibirische Kälte gebrochen, Kopenhagen wieder soweit erwärmt, dass es schneit, ich fliege zurück nach Rom.

 

Foto: Mit Gabriel und einem seiner beiden Väter, Jesús Santos, in Kopenhagen.

 

 


Flor now
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