Florian
Kronbichler


Ruhestand ist nicht Stillstand

Die Politik habe ich verlassen, aber politisch bleibt man. Geht vielleicht nicht ohne. Mir fällt das ein, weil ich grad den Kalender vor mir anschaue. Kein Terminkalender, Gott bewahre, nein!, führe ich nicht mehr, bin im Ruhestand. Es ist der letzte Rest, das Dezemberblatt, vom Greenpeace-Kalender an der Küchenwand. Das eine und andere ergibt sich halt noch, und das trägt man dann ein.

Podiumsdiskussion mit Cuno Tarfusser über „70 Jahre Allgemeine Erklärung der Menschenrechte in der Akademie Meran“. Professoren haben Letztgültiges zu dem Ewigthema gesprochen, und mir blieb, wie meistens, hinterher der Part des Spielverderbers. Ich kann das akademische Geschwätz über „Menschenrechte“ nicht mehr hören. Nach der von SVP-Obmann und Landeshauptmann von der Lega eingeforderten und ihr dann erlassenen Unterschrift dafür schon erst recht nicht mehr.

Am Tag drauf Moderation „50 Jahre Sportverein Reischach“. War nicht unpolitischer als das Akademie-Gespräch von Meran. Nichts ist unpolitisch, auch wenn es nicht so klingt.

Im Gemeinderatssaal von Levico (Valsugana) Vortrag über „die Kunst des Zusammenlebens“ von Alexander Langer am Beispiel Südtirol und Ex-Jugoslawien. Wie das Oberschüler doch immer noch brennend interessiert! Einladungen zu Langer-Vorträgen haben mit Ende meines Parlamentariertums nicht aufgehört mich zu erreichen. Ich nehme sie gern an, besonders wenn sie von Schulen kommen. Manche Schülerinnen und Schüler haben aus solchen Besuchen schon die Idee für ihre Matura-Facharbeiten geschöpft.

Die 200 Jahre „Adler“-Geschichte des Haus-und-Hof-Poeten Hanspeter Demetz (in arte H.P.D.) hat wiederum mich brennend interessiert, auch wenn bei dem abendlichen Adabei-Auftrieb im St. Ulricher Stammhaus einige unangenehme Zusammentreffen nicht zu vermeiden waren.

Das Schönste, bevor es heut Abend bei den Meraner Grünen mich wieder in tagespolitische Niederungen führen dürfte (als Luder ausgelegt ist wie üblich „eine Pizza“, und Frau Rosmarie ist selbstverständlich mitgeladen), ja, das Schönste der Woche war aber gestern: der 95 Geburtstag meiner Freundin Nanne, meldeamtlich Anna Notdurfter Stolzlechner, bei ihr daheim in Kasern. Wir kennen einander seit 50 Jahren, und was als politische Gesinnungsgemeinschaft begann, ist längst zur persönlichen Freundschaft gereift. „Die Nanne“, Passionaria der Südtiroler Opposition, immer leidenschaftlich und nie zu dogmatisch, hat das letzte Jahr allerhand Ärger gehabt, ist hingefallen, „aber nicht auf den Kopf“, wie sie in der Brunecker Orthopedie die Ärzte gleich vorwarnte, und ist zu ihrem 95-Jährigen geistig voll da, am Zeitgeschehen interessiert wie je, und schlagfertig wie scharfzüngig, dass sie es mit jeder Pro & Kontra-Diskussion auf Rai-Südtirol aufnehmen könnte. Vielleicht im Urteil über Mitmenschen etwas milder geworden ist sie, „die Nanne“. Gütiger, nicht altersmild.

Jetzt muss ich aber nach Meran. Und morgen früh kommt der Georg Mair von der ff. Zu einem Interview. „Ruhestand ist nicht Stillstand.“ Das sagt mir gelegentlich mein kunstgeschichtlicher Bruder, der heute Geburtstag hat und auch in den Ruhestand tritt. Er will mir damit sagen, ich solle doch wieder mal was schreiben. Die Leute würden das erwarten von mir, sagt er.
Vorstellungen hat der!

Foto: Von der Geburtstagsfeier: Die Nanne mit 95.


Flor now
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