Florian
Kronbichler


Wahlempfehlung: Verrat muss sein.

Hebe ich mich getäuscht? Oder war ich fies? Am End’ gar schuld? Ich habe allerhand zu hören bekommen, die letzte Wahlkampfwoche , nachdem ich einen Wahlaufruf für die Plus-Europa-Kandidatin Renate Holzeisen erlassen hatte. Entsetztes und Anerkennendes. Grüne sprachen von Verrat, reihten mich ein in die Ahnengalerie der Parteienverschleißer Jenny, Erschbaumer, Messner. Leute, die mir mehr sind als nur politische Weggefährten, entzogen mir den Gruß. Ja, es war nicht lustig, erträglich aber, weil auch viel Zustimmung kam, und das nicht nur aus dem Holzeisen-Stall.  „Endlich sagt’s einer“, war so ein Satz mit Rufezeichen. Das Überraschendste kam von zwei Freundinnen, erprobte, auch enttäuschungserprobte Grün-Wählerinnen, die sagten mir auf den Talferwiesen: „Jetzt wählen wir extra grün, denn so tut man nicht.“

Tut man so nicht? Ich habe vor jeder Wahl offen erklärt, was ich wähle. Zu meiner Journalistenzeit brachte mir das manche Kollegenschelte ein. Das tue man als Journalist nicht. Weiß ich schon. Ich halte es für ein Gebot der Glaubwürdigkeit. Meine Leser sollen wissen, wofür ich steh. Besser, ich sag es ihnen, als sie müssen es aus meinen Zeilen herausvermuten.

Doch nicht das war mein Ärgernis. Ich hatte als ehemaliger Grünen-Parlamentarier die Wahlempfehlung gemacht. Nun bin ich nicht so naiv und auch nicht so verantwortungslos, dass ich mir nicht der Skandalträchtigkeit des Schrittes bewusst gewesen wäre. Ich focht im Grünen Rat, in den ich zu zwei Sitzungen als Gast zugeladen war, für eine gemeinsame Kandidatur von Grünen und Team Köllensperger, in welcher Gesellschaft und unter welchem Zeichen auch immer, aber gemeinsam, denn allein im Bund mit den italienischen Grünen zu kandidieren, bedeute, den Südtirolerinnen und Südtirolern wissend ein Null-Chancen-Angebot vorzusetzen. Eine reine Bekenntnis-Kandidatur („Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott …“) hielt ich nicht für prinzipienfest, sondern für unpolitisch. Wir wählen, um ein Mandat zu erringen und nicht um uns zu zählen.

Die Grüne Partei sah es anders, und entsprechend entschied sie. Dass sie dem Team Köllensperger als dem im Land stärkeren Partner nicht die Bedingungen (besonders die Kandidatin) würde diktieren können, das hätte einleuchten müssen. Es kam nicht dazu, und ein weiteres Kapitel Südtiroler Parteientradition des „divide et impera“ war geschrieben (wobei das Teilen diesmal gar nicht die SVP erledigen musste; man tat alles selber).  Die Grünen gingen mit „Europa Verde“, das Team Köllensperger mit „+Europa“. Den Grünen gab ich gar keine Chance, die 4-Prozent-Hürde zu erreichen, Köllensperger „die Möglichkeit zu einer Chance“. Ich fühlte mich verpflichtet, für diese mögliche Chance einzustehen. Dies auch in der Überzeugung, dass es in der Politik, wie im Zusammenleben verschiedener Gruppen generell, immer Leute braucht, die die Gruppendisziplin sprengen, sich bewusst auf die „andere Seite“ stellen. Um eine Anlehnung zu nehmen bei Alexander Langers „10 Geboten fürs Zusammenleben“: Es braucht ständig auch „Verräter der ethnischen Blockbildung“. Verräter, nicht Überläufer. Als solchen empfand ich mich mit meinem Wahlaufruf für Renate Holzeisen.

Und jetzt? Es hat nicht geholfen. Die kleine Chance, an die zu glauben und der ein bisschen nachzuhelfen, mein Vorsatz war, hat sich nicht erfüllt. Das ist schade, aber war es naiv, an die Chance zu glauben? Immerhin war bei der ersten Nachwahl-Befragung von Rai1 um 23 Uhr die Liste von „+Europa“ noch mit 2,5 bis 4,5 % taxiert. Also war ich nicht allein zu hoffen.

Die Grünen unter „Europa verde“ bleiben auch draußen. Ich sage nicht: noch mehr draußen. Denn zumindest die Südtiroler Grünen haben ein famoses Ergebnis gelandet. Ich gestehe, ich hätte es mir nicht erwartet. Aber es freut mich. Ich meine das sehr ehrlich und auch ein bisschen egoistisch. Sagt mir das Grünen-Ergebnis doch: Mein Wahlaufruf für die Konkurrenz hat nicht geschadet. Er sorgte für die so ziemlich einzige Polemik in diesem Wahlkampf. Ich für meinen Teil halte sie hiermit für beendet.


Flor now
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