Wir unter der Wahrnehmungsgrenze
„krah“ ist der Deckname, unter den der Dolomiten-Chef schlüpft, wenn er frech wird. Darunter hat er Samstag Landeshauptmann Kompatscher zusammengeputzt, wie wahrscheinlich kein Landeshauptmann in der Geschichte dieses Landes und seiner Zeitung es je geworden ist. Ein Sommerloch-Stopfer ist er, mehr nicht. Im Unterschied zu seinen Vorgängern Magnago und Durnwalder, die „eine politische Rolle und politisches Gewicht“ hatten, ist an Kompatscher „ein Defizit seiner Funktion zu orten“. „Die Kunst des Machbaren“, was die Kunst der Politik sei, beherrscht er nicht. „Wegen seiner Empfindlichkeit setzt er Land und Leute Gefahren aus“, was nichts anderes bedeutet, als dass er sich gegen die erste Pflicht eines Landeshauptmannes und eigentlich eines jeden Politikers versündigt, nämlich Schaden von Land und Volk fern zu halten. So lautet die Amtseidesformel.
Doch was sind schon Land und Volk? Mit Schaum vor dem Mund macht Ebner der Krah zusammen mit dem Landeshauptmann gleich das ganze Land nieder: Den „Governatore“ (ja, so!) der zweitkleinsten autonomen Regional- bzw. Territoraleinheit Italiens“ heißt er ihn. Um zu sagen: ein Wicht, eine Nullität, ein Governatore von gar nix ist unser Landeshauptmann. Geringschätziger ist über Südtirol nie geredet worden.
So weit aus dem Sündenregister des Landeshauptmannes laut dem Dolomiten-krah. Aber es ist noch nicht fertig. Kompatschers eigentliches Verbrechen kommt erst: Er hat sich nicht entblödet, mit seiner „Botschaft“ – so heißt krah sie in einem Anfall von Anstand – „präsent zu sein … in Medien, die unterhalb der medialen Wahrnehmungsgrenze liegen“.
„Unterhalb der medialen Wahrnehmungsgrenze“. Das ist die mittsommerliche Todsünde des Landeshauptmanns. Nein, nicht eigentlich, dass er Minister Salvini einen „Hassprediger mit Rosenkranz“ geheißen hat. Seine Schuld ist, dass er ihn in Medien „unterhalb der medialen Wahrnehmungsgrenze“ so geheißen hat. Darauf steht die Höchststrafe, und das ist Totschweigen.
Der Landeshauptmann wird sich gegen die Anwürfe zu verteidigen wissen. Oder weiß er das etwa nicht? Anstand hätte erwarten lassen, dass (Stand Sonntag Abend) die eine und andere Empörungsbekundung laut würde. Doch es rührt sich nichts. Eine richterliche Verurteilung des Altlandeshauptmannes Durnwalder hat einen Solidaritätsadressen-Schwanz nach sich gezogen, so als wäre das selbstverständliche Untertanenpflicht. Die mediale Hinrichtung des real regierenden Landeshauptmannes Kompatscher bleibt ohne Reaktion. Ist es, weil alle Schiss haben? Oder weil das einzige Medium von oberhalb der medialen Wahrnehmungsgrenze keine missliebigen Reaktionen veröffentlicht? In was für einem Land haben wir denn zu leben!
Verteidige sich Kompatscher also selber! Doch wie? Und vor allem wo? Medien wie dieses müssen sich gemeint fühlen, wenn der Krah von solchen „unterhalb der medialen Wahrnehmungsgrenze“ spricht. Also wird es nichts helfen, wenn der Landeshauptmann noch einmal hier spricht. Bestenfalls würde er nicht wahrgenommen. Ob in ff, Tageszeitung oder Salto, ist alles umsonst, erscheint unter Ausschluss der Öffentlichkeit, wird nicht wahrgenommen – außer von den Dolomiten, die aus dem Nicht-Wahrgenommenen dann einen Verriss zusammenschustern.
Hätte man nicht Humor, es wäre zum Klagen. Wie vergleichsweise vornehm war da doch Chefredakteur Rampold selig. Der schrieb, wenn er Fremdblätter meinte, von „Druckerzeugnissen“. Nicht Zeitung und auch nicht Medium, aber immerhin, etwas Gedrucktes war man. Und man war genügsam, damals als Nicht-Athesianer. Zu jetzt, da einem die wahrgenommene Existenz abgesprochen wird, ist das ein Quantenabsturz.
Etwas unvorsichtig oder zumindest widersprüchlich ist die Abqualifizierung freilich schon. In seinem Hass-Gekrächze enthüllt der krah sein Haus Athesia ganz schamlos als das, was es ist und was es zu anderer Gelegenheit so gern leugnet: Es ist der absolute Monopolist auf Südtirols Medienlandschaft, auf Deutsch gleich wie auf Italienisch, und mittlerweile auch des Trentinos. Es gab Zeiten, da empfand Athesia die Betitelung „Monopolpresse“ als ehrenrührig. Erhob jemand den Vorwurf, besser gesagt, sprach das Offensichtliche aus, so konterte das Medienhaus gern mit der Veröffentlichung einer Liste mit allem, was an Gedrucktem und Gesendetem sonst so kreucht und fleucht im Lande. Das reichte von ff über den Vinschger Wind bis Antoniusblattl und die diversen Pfarrbriefe. Die blühendste Medienvielfalt war man, – wenn es zur Tarnung und zwecks Förderung der herrschenden Monokultur diente. Jetzt ist es offiziell: Was Athesia nicht schreibt, ist nicht. Neu daran ist, dass es so schamlos und schäbig von höchstzuständiger Stelle gesagt wird: Es gibt Athesia, und alles andere (Landeshauptmann, wenn er spricht, inbegriffen) liegt „unterhalb der medialen Wahrnehmungsgrenze“.
Den vielen Berufskolleginnen und –kollegen von unterhalb der Wahrnehmungsgrenze meine Solidarität! Wir waren anständig und haben uns bemüht. Wenn’s dann kein Schwein gemerkt hat, … ist etwas faul an den Verhältnissen.