Florian
Kronbichler


Otto der Gute

Als Landeshauptmann Durnwalder, 2004 war es, Otto Saurer nach 20 Jahren das Sanitäts- und Sozialressort aus der Hand nahm, geschah das, „weil der Otto Löcher in der Hand hat“. Es war die goldene Zeit der Autonomie, und Saurer nutzte sie. Nicht verzagen, Otto fragen! – das war so ein Tipp unter vielen und vielen sehr Verschiedenen. Saurer war der, der Geld gab und im übrigen Ruh. Der um seine Finanzen besorgte Landeshauptmann anvertraute das Fass ohne Boden Sanität dem jungen Richard Theiner. Das freilich nicht, weil er den für den tüchtigeren Haushalter hielt, sondern weil er wusste, dann schafft er selber.

Mit Otto Saurer traute er sich das nicht. Er war der einzige Landesrat, den Durnwalder ernst nahm und folglich gewähren ließ. Nie hätte er ihn abgesetzt. Er gab ihm Bildung und Kultur, Saurers angeblichen Traum zu dessen Sturm- und Drangzeit. Im Unterschied zu damals war das jetzt kein Wagnis mehr, sondern die einigermaßen anständige Abfindung eines Verdienten.

Der Landeshauptmann und sein langjähriger Vize erklärten ihr gutes Einvernehmen bei offensichtlicher Grundverschiedenartigkeit gern mit der gemeinsamen Herkunft aus der Hochschülerschaft. Ist Scholarenlatein. Durnwalder verlangte Unterwerfung, achtete aber nur, wer sich nicht unterwarf. Saurer widerstand. Mit dem Chef teilte er eine überdurchschnittlich ausgeprägte persönliche Autorität. Zudem waren die beiden in Anschauungen und politischen Jagdgründen ausreichend unterschiedlich. Sie kamen einander nicht ins Gehege. Außerdem arbeitete Durnwalder an Saurer eine alte Loyalitätsschuld ab. Zur Tangentopoli-Zeit, als es für Durnwalder einmal unangenehm wurde und einige in der Partei schon Erbfolge-Gedanken durchspielten, verweigerte sich Saurer jeder Beteiligung. Das vergaß ihm Durnwalder nicht.

Von Otto Saurer wollen alle schon früh gewusst haben, dass er würde, was er später war. Schon als Vinzentiner, also Oberschüler, war er Politiker im Vorwartestand. Die Frage war lang: Wann kommt er denn endlich? Und wo? Es war, als würden die Ämter auf ihn warten. Als er schließlich in „die Partei“ ging und kandidierte, nahm er die Sozialdemokratie oder was im Land davon übrig war, mit sich ins Amt. Mit Saurer zog die Aufklärung in die Südtiroler Politik ein. Die Moderne, auch Liberalität. Was bis dahin Gnade, milde Gaben, waren, erst Otto Saurer machte es zum Recht.

Manchen aufrechten Oppositionellen mochte Saurers Parteitreue gelegentlich als inkohärent, als opportunistisch erschienen haben. Ja, er kritisierte, aber er blieb, immer wieder. Ging nicht zur Opposition. Aber er ließ diese leben. Immer. Ob er sie damit stärkte oder ihr auch noch den letzten Zahn zog, ist eine andere Frage.

Eine Extra-Erwähnung verdient der „liberale“ Saurer. Sozial war er sowieso, Saurer war aber gern liberal, was oft als Widerspruch missgedeutet wird. Liberal war für den Guten aber Moral, Haltung, nie ein Leck-mich. Und christlich war er in Taten. Er sprach Deutsch auf Vintschgerisch, und seine Anti-Rhetorik, unwiderstehlich!, bewahrte ihn vor jedem hohlen Pathos.

Ein Letztes noch: Als der Politiker vor zwölf Jahren ging, war er weg. Wer zurücktritt, tritt nicht nach. Auch für diese Anstandsregel gab Otto Saurer ein Beispiel.


Flor now
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