Florian
Kronbichler


Da passiert mir … Prinz Charles

Ich bin kein Royalist und werde wohl hoffentlich nie einer werden. Bei aller Trostlosigkeit der herrschenden Zustände, ich bleibe Republikaner. Aber ich weiß nicht, passiert es nur mir, nein, ich glaube, es ist bei vielen: Man hat Neigungen, pflegt Sympathien, die mit den Überzeugungen, für die man steht, über Kreuz liegen. Nicht dass man sich dafür grad schämt, aber man hält sie lieber für sich; man möchte nicht damit in Verbindung gebracht werden, jedenfalls nicht öffentlich. Da passiert einem etwas, so wie mir diesen Sonntag, 15. November. Im Fernsehen wird die Feier zum Volkstrauertag übertragen. Es ist das Gedächtnis an die Gefallenen aller Kriege und die Opfer von Gewaltherrschaften. Seit bald 100 Jahren gibt es diesen Gedenktag, immer zwei Sonntage vor dem 1. Advent. Ich hätte das nicht gewusst, wäre ich nicht Sonntag in diese Sendung gefallen, und ich wäre auch nicht dran geblieben, hätte da, im so gut wie leeren deutschen Bundestag, nicht Prinz Charles von England die Rede gehalten. Ich verstand auf Anhieb nicht: War’s gespielt oder war’s Wirklichkeit? Der Prinz sehr in Zivil, nur mit einer wohl obligatorischen Latte von Orden am Revers, am markant republikanischen Bundestags-Rednerpult, dahinter der martialische Bundesadler, und vor ihm: auf den ersten Blick niemand. Aber dann doch: vor der ersten Sitzreihe der Bundespräsident, der Bundestagspräsident, noch ein paar institutionelle Größen, weiter hinten über die Sitzreihen verstreut irgendwelche illustre Unbekannten und, am aufwendigen Hutwerk leicht zu erkennen, Charles’ Frau Camilla Parker. Es seien 51 Personen im Plenarsaal gewesen, lese ich später. Corona halber.Es sprach Prinz Charles. Und er sprach so gut, und so viel Gescheites, dass ich mir ein Herz fasse und mich jetzt hier oute: ja, ich bin ein Bewunderer von Prinz Charles. Schon immer gewesen. Eine Weile aus Mitleid, weil es sich ja gehörte, über ihn zu spötteln, über sein unterdurchschnittlich gutes Aussehen, seine abstehenden Ohren und die zu große Nase, später seinen unmodernen Geschmack und das Körnlefressertum, als Grün noch nicht eine Haltung war, und als alle Welt nur noch Diana, Diana schmachtete, war es mir Ehrensache, zum Angeklagten zu stehen. Mir gefiel, wie er zu seiner ersten Liebe Camilla stand und bewunderte den Schneid, wie er sie gegen Mama, das Hofprotokoll und die geballte Rosa-Weltpresse durchgesetzt hat. Ganz zu schweigen von seiner Extravaganz in Bau-Angelegenheiten: „Die beste Architektur ist diejenige, die nicht gebaut wird“. Und schon sind wir bei Charles dem Grünen. Ich kenne keinen, nein, nicht nur prominenteren, nein, keinen konsequenteren Verfechter einer ökologischen Wende und ihrer Unausweichlichkeit.Und damit bin ich zurück bei Prinz Charles, dem Festredner zum Volkstrauertag im Deutschen Bundestag. Der Prinz hielt seine Rede abwechselnd auf Englisch und Deutsch. Wie gut der Mann Deutsch spricht! Und wie politisch dieser zur Unpolitischkeit verpflichtete Kronprinz sprach! Was er zur britisch-deutschen Versöhnung sagte, was zu den Verwerfungen kriegerischer Auseinandersetzungen und zur notwendig freundschaftlichen Zukunft der beiden Völker auch in einer Zukunft mit Brexit. Trotz Brexit, denn dass Charles ein Remainer, ein in der EU-Bleiber war und gern bliebe, das direkt zu sagen, verbietet ihm das Protokoll, aber er gibt es unbefangen zu verstehen. Ein „saubereres Wirtschaftswachstum“ mahnte er an, Anstrengungen zu erneuerbarer Energie, zum Schutz des Waldes, der Biodiversität, und mit großem Nachdruck: den Klimaschutz. Alles das sagte der 72jährige Charles, Prinz von Wales, der sich als Mitglied der britischen Königsfamilie und erster Erbfolger von Königin Elisabeth II. nach der ungeschriebenen Verfassung des Vereinigten Königreichs aller politischen Einmischung zu enthalten hat. Wenn doch Politiker so politisch sprächen!Foto: Prinz Charles bei seiner Rede zum Volkstrauertag im Deutschen Bundestag.


Flor now
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