Mir stinkt’s. Ich will nach Graz.
Das Schönste an Bozen sind die Promenaden. Und das Schönste an Lock-down 2 ist, dass Bozens Promenaden noch offen sind. Trotzdem: Ich träume, wie schön wär’s jetzt in Graz. In der steirischen Hauptstadt ist der Betrieb motorisierte Laubbläser und Laubsauger verboten. Seit Jahren schon, höre ich. Während es hier weiterhin heißt, ein Verbot dieser Höllengeräte, die nicht nur lästig sind und die Luft verpesten, sondern auch Schaden an Pflanzen und Kleintieren anrichten, sei europarechtlich nicht durchsetzbar.
Mir ist schon bewusst, dass ich mich wiederhole. Ich halte mich für einen geschlagenen Anti-Laubblas-Partisanen. Seit Jahren führe ich meinen Kleinkrieg gegen die Ungetüme. Was ich doch schon angeschrieben habe gegen diese Unart motorisierter Baumlaub-Entfernung von Straßen und Stadtparks. Mit allen mir zur Verfügung stehenden und im Rahmen der Straffreiheit sich bewegenden Mitteln habe ich es versucht. Mit Anrufen bei der Stadtgärtnerei, später mit förmlich schriftlichen Eingaben dort; befreundeten Abgeordneten habe ich Entwürfe für Anfragen zugesteckt; ich hetzte Mitbürger auf, sich mir anzuschließen. Eigentlich müsste ich mich ganz dieser einen Lebensaufgabe verschreiben. Volksanwalt wider das motorisierte Laubblasen müsste ich noch werden.
Wenn’s hülfe! Schreiben, habe ich einsehen müssen, hilft nicht. Die Bläser selber, diese Armen, lesen mich nicht. Spreche ich einmal einen an, kommt er mir mit Eile und „non c’è personale“. Rechen und Besen sind ein Schimpfwort. Herbstlaub wird verfolgt, als sei es Müll und Hundekacke. Als ich mich bei der Stadtgärtnerei-Direktorin das letzte Mal beschwerte, vertröstete sie mich, die krachenden, stinkenden und luftverpestenden Zweitaktmotoren würden auf Elektromotoren umgerüstet. Das sind sie jetzt zum Teil. Aber kaum fallen die Blätter, da röhrt, und stinkt und staubt es schon wieder.
Ich schreib schon lang nicht mehr darüber. Ich dachte mir, als alles Protestieren und Intervenieren nichts half, ich verlege mich aufs Menschliche. Ich rede jetzt mit den Bläsern persönlich. Dass sie selber protestieren. Motorblasen-streiken. So bösartig können die doch nicht sein, dass sie ihr Teufelswerk nur der Umwelt und den Mitmenschen zu Trutz verrichten. Sie sind höfliche Leute. Gehen jedes Mal vom Gas, wenn ich in ihre Nähe komme.
Und dann erlebe ich Folgendes: Ich laufe die Promenade Eisack abwärts. Noch bevor ich das Motorenknattern höre, sehe ich von weiten eine dichte Staubwolke, und darin eingehüllt, als ich näher komme, den Armen mit dem Höllengerät am Rücken. Wie die Corona-Ärzte ist er vermummt, trägt Schutzbrille, Mund- und Nasenmaske, – und hustet. Hustet wie ein krankes Kälbchen. Ich deute dem Mann von Weitem zu, er hört und sieht mich natürlich nicht, hustet immer noch. Ich mime Verständnis und ruf: „Povero, das kommt davon, gell!“ Der Mann versteht auf der Stelle, was ich meine. Und für einen Moment erweckt er sogar den Eindruck, als würde ihn mein Ausdruck des Mitleids freuen. Doch dann, als fühlte er sich durch meine Anteilnahme seinerseits zu Ehrlichkeit verpflichtet, sagt er: „No, io fumo.“ Es klang nach Selbstanklage und Entschuldigung.
Das war neulich. Seither glaub ich nicht mehr, dass die Opfer ihr Schicksal je selber in die Hand nehmen werden.
Muss es jetzt in Graz doch schön sein.