Florian
Kronbichler


Geheimwaffe „Dorfsterben“

Am Törggele-Weiler Signat kehrt die schon einmal geschlagene Schlacht um eine Wohnbauzone wieder. Mit dem Drohgespenst: Entwicklung oder Abwanderung.

Der Sündenfall kommt auf die leisest mögliche Art zuwege. Er betrifft die Raumordnung (wie die meisten Sünden im Land). Er hat nicht eine nächste überdimensionierte Tourismuszone zum Gegenstand. Es geht um eine Wohnbauzone, und das „nur“ in Signat, das nicht einmal ein richtiges Dorf ist, sondern ein Weiler. An die Öffentlichkeit gebracht hat ihn nicht irgendein investigatives Medium und auch kein Amtsblatt, sondern ein Bötl. „’s Rittner Bötl“ war’s.

Unscheinbar auf einer der hinteren Seiten, fast ohne Titel und schamhaft klein steht die Notiz: „Schaffung von Wohnraum in den Außenfraktionen: Ausarbeitung einer Machbarstudie für Signat“. Es folgen mehr Umschreibungen als Aussagen: In der Rittner „Außenfraktion“ mit den überörtlich bekannten Törggele-Einkehren solle „nach der Möglichkeit der Ausweisung einer kleinen Wohnbauzone gesucht werden“. Und dann Vernebelungen: „Auf der Basis von Überlegungen über Gebäudetypologie und Gebäudeausrichtung sollen eine  Lokalisierung vorgenommen und die gebäudetypischen Merkmale festgelegt werden“.

Wer so umschreibt, weiß, dass er sich auf vermintem Feld bewegt, und will ablenken. Landesrätin Maria Hochgruber Kuenzer droht ein neuer Testfall für ihr so schon reichlich zerfleddertes Urbanistik-Gesetz: Ist es, wie sie tapfer zu glauben vorgibt, wirklich zum Schutz der Landschaft, oder ist es eher, wie ihre Kritiker überzeugt sind, der definitive Dammbruch jener ehemals gerühmten, nach ihrem gestrengen Schöpfer Alfons Benedikter benannten Landesraumordnung? Signat, die  Streusiedlung an Rittens Sonnensöller auf 850 m Höhe und wegen seiner Nähe zu Bozen unter Dauerdruck kaufkräftiger Sommerfrisch-Siedler, wird zum Exempel.

Rittens Bürgermeister Paul Lintner, selber Jurist, der am neuen Landesgesetz für Raum und Landschaft mitgeschneidert hat, ist sich der Brisanz des Falles bewusst. Er wiegelt ab: „Wir prüfen die Möglichkeit“. Und nach dem neuen Gesetz könne „von einer wirklichen Wohnbauzone“ gar nicht gesprochen werden. Es gehe „um Wohnraum für junge Signater“. Er redet von „Abwanderungsgefahr“, das Dorf „stirbt sonst“, die Schule habe schon geschlossen, Gasthäuser „tun auch zu“, grad dass das Kirchlein noch offen ist. Mit Worten wie „Auswandern“, „Dorfsterben“, „Gasthausschließen“ und „Höfe-Auflassen“ baut er eine Dramatik auf, die für Kenner der Lage weniger einer Wirklichkeit entsprechen, als dass sie einer Absicht dienen.

Der Bürgermeister wolle „den Signatern eine Entwicklung sichern“. Die Wohnbauzone, die keine wirkliche solche sei, würde auf jeden Fall „nur eine kleine“ sein und Signater Einheimischen vorbehalten bleiben. Dem Schreckgespenst Zuzug aus der Stadt entgegnet Lindner mit dem Versprechen hundertprozentiger Konventionierung und Preisbindung für alle neu entstehenden Wohnungen. Dass diese baurechtlichen Mittel ihre sehr bescheidene Wirkung bereits an anderen attraktiven Baugebieten bewiesen haben, nicht zuletzt in der Gemeinde Ritten selber, lässt Bürgermeister Lindner am neuen Beispiel Signat nicht gelten. „Wir werden aufpassen“, verspricht er.

Den Rittner Gemeinderat erwartet eine zukunftsweisende Entscheidung. Und eigentlich die Neuauflage einer Entscheidung, die er vor acht Jahren schon einmal getroffen hat. Abschlägig, damals. Ein Teil des Gemeinderats unter Anführung des Bauernvertreters Luis Lun hatte den Antrag einer Wohnbauzone in Signat eingebracht. Es war der seinerzeitige Bürgermeister Ferdinand Rottensteiner, der sich unter Hinweis auf die Gefahren eines „raumordnerischen Dammbruchs“ knapp durchsetzte und die „Verdichtung“ der landschafstypischen Streusiedlung verhinderte. Rottensteiner warnte damals, die Neuausweisung einer Bauzone in Signat zeitige „Folgen, die keine Gemeindeverwaltung mehr im Griff haben wird“. Die Prinzipien der Raumplanung dürften nicht dem Interesse einer kleinen Gruppe (gemeint wohl Signater) unterworfen werden. Der Zuzug ortsfremder Bauwerber sei wegen der Stadtnähe unvermeidbar. Die Bauzone, so klein sie auch ausgewiesen werde, sei sofort erschöpft und ziehe unweigerlich die Ausweisung einer nächsten nach sich. Der Verkehr werde zunehmen, die derzeit drei Zufahrtsstraßen müssten folglich erweitert werden. Und was der Bürgermeister von damals für besonders unangebracht hielt, das waren Begriffe wie „Auswanderung“ und „Vertreibung“, mit denen die Befürworter einer Wohnbauzone agitierten. Wer von Signat in eine Wohnbauzone im benachbarten Unterinn müsse oder auch nur zur Schule dort, der sei „kein Auswanderer und kein Vertriebener“.

Vor acht Jahren war das. Alle zuständigen Landesämter und sämtliche am Ritten tätigen Schutzorganisationen, vom Alpenverein über den Tourismusverein bis zum Heimatpflegeverein, hatten sich hinter den Bürgermeister geschart und sprachen sich in teils vehementer Form dagegen aus, dass Signat einen verbauten Dorfkern erhält. Jetzt kehrt das Gespenst in Form einer in Auftrag gegebenen Machbarkeitsstudie wieder. Man wird sehen, was die Schutzverbände heute dazu sagen. Auffällt, dass die dreiköpfige Grünen-Fraktion im Gemeinderat bisher nicht aufgemuckt hat. Judith Kienzl, ihre Wortführerin, erklärt das mit jeweils unterschiedlichen Befangenheitssituationen ihrer Mitglieder. Sie und Kollege Karl Angerer seien selber Zugezogene und der Dritte im Bund, Hanno Mayr, sei Bauer in Signat. Befangen in einem rechtlichen Sinn haben alle  drei nicht zu sein, aber sage niemand, Rittner Grüne seien nicht höflich.


Flor now
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