Florian
Kronbichler


Unser Fußball-Vetter

Aus seinem Herzen mache er „keine Mördergrube“. Nicht einmal heute. „Ich liebe Italien“, sagt er, „aber ich bin für Österreich, selbstverständlich“. Es spricht Herbert Prohaska. 66 Jahr alt ist er, und 21 Jahre lang, also fast ein Drittel seiner Lebensjahre, kommentiert er im ORF Fußballspiele. Vorher war er Fußballspieler, zunächst in allen Ligen Österreichs, hauptsächlich bei seinem Heimatverein Austria Wien, den er zu heute unerdenklichen Erfolgen führte, auch internationalen. Dann spielte er jahrelang in der italienischen Serie A, bei Inter Mailand und AS Roma. Er war, nach einer ersten Epoche der Sivori, Schnellinger und Suarez, der erste Ausländer in Italiens moderner Fußball-Zeitrechnung.

Das ist alles lang her, 1970er und -80er Jahre, Fußball-Archäologie, aus der nur noch der Spitzname „Schneckerl“ überlebt hat. Prohaska hat ihn dem prächtigen Wuschelkopf aus seinen besten Fußballerjahren zu danken, aber der wienernden Bezeichnung haftet auch ein Beigeschmack von Wahrheit an: „Schneckerl“ war ein hervorragender Techniker am Fußballplatz, aber halt nie der Schnellste. Ihn deshalb gleich Schnecke zu nennen, wäre unwienerisch unhöflich gewesen.

Und damit kommen wir beim Fußball-Kommentator Herbert Prohaska. Schneckerl blieb Schneckerl. Deshalb wollen wir, heut zum Tag des großen Fußballs mit der EM-Achtelfinalpartie Österreich-Italien, ein Lob auf die Langsamkeit singen. Kein Fußball-Kommentator der Welt spricht so langsam und folglich so gut verständlich wie Herbert Prohaska im ORF. Genau genommen ist er Fußball-„Analyst“. Das ist ein großes Wort. Deshalb vermeiden es hauptberufliche Kommentatoren gern und lassen den ausgebildeten Automechaniker aus dem ehedem roten Wiener Simmering bestenfalls als „Co-Kommentator“ durchgehen.

Fußballspiele im Fernsehen von so genannten Experten mit- und nachbesprechen zu lassen, verdirbt uns geübten Zuschauern so manche Freude daran. In der Regel sind sie  geschwätzig bis störend, häufig überflüssig. Sie plappern in Gemeinplätzen und sagen bestenfalls hinterher noch einmal das, was wir vorher alle selber schon gesehen und verstanden haben.

Nicht so Schneckerl Prohaska. Ob ein Spiel gut oder schlecht war, das zu beurteilen braucht er gar nicht zu sprechen. Ihm reicht dafür der Gesichtsausdruck. Nie tut er aufgeregt. Selbst wenn Österreich heute gegen Italien gewönne, Herbert Prohaska würde trocken bleiben. Aus seiner aktiven Fußballerzeit hat er ein Phlegma in seine  Reporterkarriere herübergerrettet, das nur als wienerisch oder besser noch altösterreichisch bezeichnet werden kann.

Es wechselt ja ständig alles, auch im Fußball: die Spieler, die Trikots, ja selbst die Regeln, die Experten sowieso. Da ist es ein Segen für den Fußballfreund, dass er zumindest an einem immer Halt findet: Prohaska, dem Ewigen und ewig Gleichen. Von zweien ist er immer der Altväterischere. Unser guter alter Fußball-Vetter. Sein trockener Humor ist ihm mit den Jahren in die Physiognomie geschossen, und in beidem, dem Witz wie dem Dreinschauen, erinnert er an Bruno Kreisky, dem Großmeister des Österreichtums. Das Einzige, in dem er mit der Mode geht, und zwar einer schlechten, aber sehr österreichischen, ist, dass er seine ewig gleichen Anzüge mit Werbeschildchen am Revers verunstaltet. Eine zutiefst österreichische Unart. Nur dort tragen Fußballspieler den Schriftzug ihrer Sponsoren sogar am Hintern.

Herbert Prohaska sagt Sätze wie „Fußball ist mein Leben, ich kann nichts Anderes“. Und dazu, ob der Trainer gut oder schlecht taktiert hat: „Wenn du gewinnst, hast du alles richtig gemacht.“ Oder, aktuell zur Covid-Pandemie: „Unser Opfer ist doch gar kein richtiges Opfer.“ Zur nie endgültig beantworteten Frage der richtigen Sportlerdiät: „Man kann sich nicht nur gesund ernähren“. Bei seinem Ausgleichsport Tennis bevorzugt er das Doppel: „Weil i da weniger laufen muss“.

Man kann unserm Heimatsender ORF (kann man wohl sagen, oder?), nicht genug danken dafür, dass er uns unsern verlässlichen, kennerischen, altmodischen Herbert Prohaska weiter erhalten wird. Für Österreich sein und Italien lieben – so eine Haltung vor dem größtmöglichen Fernsehpublikum hie- und jenseits des Brenners tut für das friedliche Miteinander der Menschen beider Länder mehr als jeder Doppelpass. Den fußballerischen natürlich ausgenommen.

FOTO: Herbert Prohaska, Fußball-Analyst des ORF


Flor now
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