Florian
Kronbichler


Alles klar!?

Sommer wird’s, und es sieht aus, als hätten wir das Ärgste überstanden. Und? Werden wir daraus gelernt haben? Ich fürchte, nein.  Die Pandemie hat uns zu manchem Glück gezwungen, das wir jetzt, vom Zwange befreit, hingebungsvoll wieder verspielen. Schlimmer noch: Statt Umkehr, wie allseits gefordert und versprochen, sind Neustart, Aufholen, Gas-Geben die Losungsworte.  Innehalten? Altro che!

Wir lernen nichts. Es gab erste Erholungszeichen im Frühjahr, und die Zeitung begrüßte sie gleich mit „Tommy legt den Turbo ein“. Wenn ich gelegentlich heim ins Pustertal fahre, fällt mir auf, dass ich dort von Freunden gegrüßt werde mit „Alles klar!?, ausgesprochen mit Ausrufezeichen. Ich werde nicht gefragt, „wie geht’s dir?“, sondern aufgefordert, „alles klar“ sein zu lassen. Ich stell mich dann dumm und sag, nichts sei mir klar. Gleich werde ich ermuntert mit Sprüchen wie „man lebt nur einmal! oder „positiv denken! – immer mit Ausrufezeichen.

Es ist schon länger so, aber die vorgeblich „geraubte Zeit“ (ja, der Jugend, heißt es, wurden „zwei Jahre geraubt“) hat alles schlimmer gemacht. Sie erhebt den Erfolg zum Lebenszweck und den Glauben daran zur Pflicht. Nicht Umkehr, sondern zurück zu vorher, und zwar noch mehr!, lautet die Losung. „Innehalten“, was das Jahresthema der Diözese ist und worüber zu schreiben ich gebeten wurde, wird gleichgesetzt mit Stillstand. Und Stillstand – es gibt keinen schlimmeren Vorwurf. In der Politik nicht, in der Wirtschaft nicht, und auch nicht im Leben. „Fit für den Neustart!“ tönen die Wirtschaftskapitäne. „Fit sterben“ ist Lebensziel. Wenn der Anschein nicht trügt, haben wir mit der Pandemie keinen Stillstand hinter uns. (Ein solcher wird nur herbeigeschwätzt.) Es war die Zeit zur Nachrüstung auf danach. Der Waltherplatz in Bozen ist umstellt von Baukränen, so vielen und großen, wie man sie nie gesehen hat. Die Brennerautobahn ist eine LKW-Kolonne im Dauerstau. Die nicht erst drohende, sondern bereits eingetretene Klimakrise war nicht Chance genug, um die Wiederbelebung eines Gott sei Dank gestorbenen Flughafens zu vermeiden. Der Unternehmerverband-Präsident sagt, Südtirol hat 30 Prozent zu viele Landesangestellte. Zu viele deshalb, weil sie seine boomende Wirtschaft außer fördern halt auch kontrollieren und gelegentlich strafen. Die Mobilmachung für die Nachpandemie-Offensive wird mit solchem Kriegskrawall geführt, dass sich der Landeshauptmann nicht mehr getraut, sich vor seine Mitarbeiter zu stellen. Innehalten? In uns gehen? Ein weiter Weg.

Foto: Das neue Falkensteiner Family Hotel in Ehrenburg


Flor now
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