Florian
Kronbichler


Die Toskanische

Allgegenwart, die göttliche ausgenommen, ist in unserm Zeitalter von Event, Talkshow und Webinar keine Tugend mehr. Immer überall dabei? Seit Durnwalder kann das jeder. Kunst ist das Gegenteil: Marketingleute heißen es Angebotsverknappung. Eine, die sich besonders darauf versteht, ist Valeria Malcontenti. Sie war die Frau von Alexander Langer und ist ein Gerücht. Das Besondere an ihr ist nicht, wer sie ist, sondern dass es sie gibt. Langers Frau? Das hat zu Lebzeiten des Allgegenwärtigen in der Regel zur Gegenfrage geführt: Aber hat denn der Langer eine Frau?

Hatte er, und neulich war sie da. Das Holzbrüggele über den Eisack, das seit 25 Jahren, also bald so lang, wie Alexander Langer tot ist, Alexander-Langer-Brücke heißt (weil ein friedensbewegter Lehrer es mit seinen Schülern spontan so benannt hatte), bekam jetzt auch den offiziellen Segen der Gemeinde dazu. Der Bürgermeister kam angerückt, und wortmächtig, wie er das kann, begrüßte er „la cara signora Langer“.  „Malcontenti, per favore, Valeria Malcontenti!“ fiel ihm diese gleich ins Wort. Und rückte ihm das Stadtwappen zurecht, das der Bürgermeister verkehrtherum am Revers trug. „Le cose vanno messe a posto!“, sagte sie. Der  Bürgermeister kam kurz aus dem Tritt. So ist ihm noch keine übers Maul gefahren.

Valeria Malcontenti, Jahrgang 1942, ist Florentinerin, und wenn jemand sich über ihre Spitzzüngigkeit wundert, was häufig vorkommt, wird das von Kennern gern erklärt mit dem Hinweis, sie sei eben Florentinerin. Immer mit dem mildernden Zusatz: „e poi, Valeria è speciale“. Toskanischer als Valeria geht nicht. Auch als Ehefrau Langer südtirolisierte sie sich nie wirklich. Deutsch spricht sie keines. Wahrscheinlich ist sie zu toskanisch dafür. Gewisse Vorbehalte gegen die Bozner Gesellschaft lassen die Langer-Frau auch nach dem Tod ihres Mannes und über die Pensionierung als Lehrerin hinaus am elterlichen Wohnsitz in Florenz festhalten.

Die Tochter eines Carabiniere lernt den um 4 Jahre jüngeren Alexander Langer schon in dessen erstem Studienjahr in Florenz kennen. 1964 war das. Sie studiert Naturwissenschaften, er Jus. Beide sind engagiert in der katholischen Studentenbewegung „Fuci“. Beide radikalisieren sich in den gerade in Florenz am Konzilsgeist entflammten Basisgemeinden, beide gehen den Weg von einem intensiven religiösen Leben hin zum politisch revolutionären Aktionismus, verlassen die Kirche, Valeria zuerst, Alexander später („wenn er sie überhaupt wirklich verlassen hat“, wird die Witwe später spitz zweifeln). 1982 heiraten Valeria und Alexander im Palazzo Vecchio, dem Rathaus von Florenz, und bleiben einander verbunden in Ehe, bis der Freitod des Einen heute vor 26 Jahren (am 3. Juli 1995) sie scheidet.

Es wurde ein ausgesprochen diskretes Eheleben. Die geistige wie berufliche Selbständigkeit der beiden lässt es nie zu einer Abhängigkeit kommen. Diskret, aber solidarisch nimmt Valeria am politischen Leben des Ehegatten teil. Versammlungen, Demonstrationen, Reisen – mal will sie mit, öfter muss sie mit. Langer schätzt es. Sie ist es, die ihm notfalls die Wahrheit sagt. Bei den „Freunden“ führt ihre direkte Art zur klassisch macho-haften Vorurteilspflege: „eine rompiscatole!“

Als „Frau von …“ angesprochen zu werden, beleidigt sie. Vorwerfen tut sich Valeria Malconcenti, dass auch sie nicht – nicht einmal sie! – Langers letzten Schritt vorherzusehen imstande war. Die Vereinnahmung des tragisch Gescheiterten durch Institutionen und selbsternannte „Freunde“ empfindet sie als Ausbeutung, ja Missbrauch über den Tod hinaus. Über die vielen Langer-Ehrungen, die es seither und ungebrochen weiterhin gibt, freut sie sich heimlich, selten aber nimmt sie daran teil. Fürs Langer-Brüggele über den Eisack jetzt und die Langer-Schule im Stadtteil Firmian vor zehn Jahren kam sie gern nach Bozen. „Weil es von und für junge Menschen ist“, begründet sie.

Die posthume Erhebung ihres Alexanders auf die Altäre der unterschiedlichsten Kirchen, weltlichen wie religiösen,  verfolgt die Witwe mit der ihr eigenen Ironie. Auch gegen die Betitelung „Witwe“ verwahrt sie sich. „Edi ist die Witwe, geht zu ihm!“, hält sich Valeria unliebsame Fragereien vom Hals. Zum Verständnis: Edi Rabini war Alexander Langers engster Vertrauter und ist Präsident der Alexander-Langer-Stiftung. Neulich bei der Brücken-Feier herzte Valeria Malcontenti Edi Rabini so liebevoll (siehe Foto), dass es dem anwesenden Ex-Landtagsabgeordneten Hans Heiss in echt malcontentischer Ironie herausplatzte: Schau her, die beiden Witwen!“

Foto: Valeria Malcontenti Langer (mit Edi Rabini)


Flor now
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