Florian
Kronbichler


Die Widerständische

Geschäft braucht Ruhe. Und Demokratie ist Unruh. In Alta Badia, zu Füßen des Heiligkreuzkofels, hat neulich ein Blitzstrahl Demokratie ins allzeit brummende Tourismusgeschäft eingeschlagen. Der örtliche Tourismusverband macht sich, zusammen mit Gröden, stark für die Bewerbung um die alpine Ski-Weltmeisterschaften  2029. Dolomitäre Touristiker sind nicht blöd. Sie wissen um das umweltbewegte Störfeuer, dem derlei Großveranstaltungen gern ausgesetzt sind. Deshalb: Diskretion! Man vermied den Weg durch die Institutionen und versuchte es auf die sogenannte bürgernahe Tour. Man organsierte  sich das Einverständnis maßgeblicher Personen und Vereine und präsentierte sich schließlich mit der „Unterstützerliste“ beim Bürgermeister: Sieh hier des Volkes Wille, es fehle nur noch er. Man bitte um die Unterschrift.

Der Bürgermeister, Jaco Frenademetz, 75, durch und durch Mann seines Volkes, aber halt doch Bürgermeister mit Sinn fürs Amt, sagte: halt einmal! Eine Ski-WM? Das sei ihm eine zu große Sache, als dass er darüber allein befinde. Die Sache müsse „in die Gemeinde“. „Blöd gelaufen“ für die WM-Macher. Alta Badia ist nur ein Tourismus-Konstrukt, eine Werbe-Gemeinschaft, kein demokratisches Gebilde. Ihre Hauptgemeinde heißt Badia, auf Deutsch Abtei, und es ist sehr bezeichnend, dass dieser Name weniger bekannt ist als ihr übergemeindlicher Lockname.

Somit ist es dem demokratischen Amtsverständnis des Bürgermeisters zu danken, dass die WM-Bewerbung überhaupt zur Sache der demokratischen Volksvertretung wurde. Die WM-Bewerbung kam in den Gemeindeausschuss. Aber selbst dieser befand sich für zu wenig demokratisch. Der ganze Gemeinderat musste her. Wenn eine Weltmeisterschaft nicht ins höchste Gemeindegremium müsse, was dann? Die Skibarone drängten, machten Druck, der Gemeinderat nahm sich Zeit, und endlich – geschah das Unerwartete: 10 von 18 Gemeinderäten stimmten mit Nein. Alta Badia brauche keine Weltmeisterschaften. 3 Enthaltungen und nur 5 Ja-Stimmen. Der weise Bürgermeister durfte es sich leisten, mit seiner Enthaltung Gemeindevater aller zu bleiben.

Es war wie ein Putsch in Südtirols Ski-Himmelreich. Und der Knall am Fall: Es waren nicht die üblichen grünen Gegner. Der Putsch war friendly fire – Selbstentmachtung. Angeführt war der Anti-WM-Sturm von Elide Mussner Pizzinini, der Gemeindereferentin für: Tourismus – ausgerechnet! Was dieses Weibsbild, Gemeinderats-Neuling, ansässig wohl in der Gemeindefraktion St. Kassian, aber eigentlich, wie jetzt geäfft wird, eigentlich nur Zugezogene, und das aus dem konkurrierenden Gröden auch noch, was die sich doch erlaubt! Die Tourismus-Referentin hat sich erlaubt zu glauben (und zu stimmen), Hochabtei habe so schon Tourismus genug, wenn nicht gar zuviel. Sie hat das Mädchen gespielt im Märchen von „Des Kaisers neue Kleider“. Darin ist dieser in Wahrheit nackt, und nur die einfachen Leute sehen das so. 

Elide Mussner Pizzinini ist seither die Nestbeschmutzerin für alle WM-Honoratioren. Zwei Dutzend Hoteliers haben einen Brief gegen sie unterzeichnet, der nur als Drohbrief empfunden werden kann. Im Tourismusverein wurde der abtrünnigen Assessora der Prozess gemacht. Michil Costa, der Grüne-Wende und Gemeinwohlwirtschaft predigende Hotelier von der noch turbomäßigeren Nachbargemeinde Corvara rang sich wohl zu solidarischem Verständnis für die drangsalierte Elide durch, sprach sich in einem Beitrag auf salto.bz dann aber doch mit einigen Windungen für eine Ski-WM in Alta Badia aus. Das verwundert. Frau Mussner Pizzinini war jahrelang Michils Assistentin und maßgebliche Betreiberin von dessen alternativen Benefiz-Initiativen. Was sie verbrochen hat, hätte nicht überrascht, wär es von ihrem ehemaligen Dienstherrn gekommen. „Die Dolomiten schützen vor noch mehr Tourismus“ ist bekanntermaßen Michil-Doktrin.

Die Widerständische Grödnerin von Abtei fühlt sich im Reinen mit ihrem Gewissen und ihrer Geschichte. Sie erfahre eine Menge Zuspruch. „Stillen Zuspruch“. „Wir sind Mehrheit“, sagt die Gemeindepolitikerin konfliktstark, und viele, sagt sie, „viele sind dankbar, dass ich mich für die Rolle des Sündenbocks hergebe“. Selbst namhafte Alta-Badia-Funktionsträger würden zu ihr stehen. Halt, verständlich, lieber ohne Namen. 

Foto: Elide Mussner Pizzinini, Tourismus-Referentin von Abtei.


Flor now
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