Florian
Kronbichler


Der Blumenbauer

Ist es diesmal die eine Schwalbe, die vielleicht doch den Sommer macht? Dann wäre sie über Pflersch geflogen. Die Landesregierung könnte dann von sich behaupten, sie hat Natur geschützt, ohne von einer Naturkatastrophe dazu gezwungen worden zu sein. Das ist nicht selbstverständlich. Schadensbehebung fällt der Politik leider immer noch leichter als Schadensvermeidung. Diesmal: Die Dienststellenkonferenz, das ist das höchste Expertengremium der Landesregierung, hat nein gesagt zur Erweiterung der Schottergrube „Lochen“ im Pflerscher Tal, einem Projekt der „Wipptaler Bau AG“. Das Gutachten ist von vor dem großen Wasser in Deutschland und Österreich. Die Landesregierung hat zwar noch das letzte Wort. Jedoch wird sie sich nach der Naturkatastrophe bei den Nachbarn nicht getrauen, ihren Fachleuten zu widersprechen.

Es wird ein Sieg der Wipptaler Umweltschützer gewesen sein. Die Landesgrünen haben auch tüchtig gewirbelt. Es ist um den Abbau von 280.000 Kubikmeter Schotter in den nächsten 10 Jahren gegangen. Das sind 1.600 LKWs, die im Jahr durchs schmale Tal donnern und stauben würden. Ein Monstervorhaben, das den Wipptaler Schotterkönig Egartner mächtig Lobbyarbeit hat leisten lassen.

Unstrittig der Kopf des Widerstands ist aber Bernhard Auckenthaler, der Blumen- und Kräuterbauer von Pflersch. Kompetent, konfliktstark, gleichzeitig aber auch höflich und immer Konsens suchend hat dieser 44jährige Mann den Kampf um die Erhaltung eines gefährdeten Stücks Heimat geführt. Eigentlich vollzeit seinem Garten und der Verwertung von dessen Früchten verpflichtet, ist dieser Autodidakt an seinem Engagement gegen die Schottergrube zu einem veritablen Umweltjuristen und Volksanwalt herangewachsen. Wie er das eine mit dem andern verbindet, den Bauer mit dem Umweltanwalt? „Ich kann von Beruf Blumen pflücken“, beantwortet er trocken die Frage.

Ausgerechnet bei dieser Arbeit treffen wir uns. Bernhard und Paola, seine Frau, die von Beruf Italienischlehrerin in Sterzing ist, klauben gerade Duftrosen. Rosa, die achtjährige Nichte, ist heute auch dabei. Wir stehen da auf 1250 m Höhe, am Fuße der Tribulaune, ein schmuck herausgeputztes Wipptaler Paarhöfl. Im Berginnern dahinter dreht die alte Brenner-Eisenbahn ihre Pflerscher Kehre, wenig taleinwärts, am Hang, die drohende, jetzt wahrscheinlich abgewendete Schottergrube Lochen.

Was Phantasie, Fleiß und ein Schuss Sturheit doch machen können aus einem Höfl, auf dem Bernhards Vater noch zwei Kühe hielt und um seine Familie durchzubringen zur Brennerbahn arbeiten gehen musste! Der junge Bernhard ging Gärtner lernen, zuerst in Sterzing, später in der Schweiz. Bis er vor 20 Jahren vom Vater den heimatlichen Botenhof übernahm und daraus das machte, was heute unter dem Namen „Kräutergärten Wipptal“ landesweite Bekanntheit erreicht hat. Mit einem befreundeten Paar in Wiesen-Pfitsch wird eine enge Zusammenarbeit gepflegt. Von daher der Plural Kräuter-„Gärten“.

Beeindruckend, was Bernhard einem kargen Äckerchen, das keinen Hektar groß ist, so abzuringen vermag,. Gerade hat die Erntezeit begonnen. Minze, Malven aller Farben und Größen, Klatschmohn, Ringelblumen, Kamille, Thymian … daneben reifen Beeren aller Art heran. Es ist eine Parade der Düfte, Farben und Töne. Und das ist nur der „Garten. Ein Drittel seiner Ernte holt sich der Wipptaler Blumenbauer und Kräuterjäger „wild“. Himbeerlaub, Schafgarbe, Birkenblätter, Hollerblüten trägt er buggelkörbeweise von den umliegenden Berghängen herab. Die fein gepressten Edelweiße, die das Kräutermandl dann auf Weihnachtsmärkten und in ausgesuchten Spezialitätenläden zum Verkauf bringt, sind freilich gartengezüchtet. Der Wahrheit zuliebe sei’s verraten. Bernhard und Paola verwerten alles, was sie ziehen und sammeln. Sie veredeln es, um es korrekt zu sagen. Im „Trockenschuppen“, eigentlich ein Hightec-Labor, werden verkaufsgerecht Kräutermischungen, Blumengewinde und Spirituosen zubereitet, die etikettiert sind mit Namen wie Herzlwärmer, Kräutersymphonie, Wind&Wetter, Pfeifer-Huisele-Zaupertee, der Feurige, Atemgold … Nicht alles ist wörtlich zu nehmen.„

Blumen pflücken“ – sagt Bernhard, immer sachlich, ohne Pathos – „ist eine schöne Arbeit“. Man ist versucht, ihn zu beneiden. Er redet die Arbeit klein. Im Winter, der dort oben lang und hart ist, gönnt sich der Blumenbauer gern „eine Weltreise“. Etwa nach Sterzing, von wo Paola her ist? „Nein, nein, am liebsten Asien und Afrika“.

Foto: Bernhard Auckenthaler und seine Frau Paola beim Königskerzen-Pflücken.


Flor now
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