Florian
Kronbichler


Hochunserfrau

Gotteslästerlich ist der Titel nicht, und es kommt in dem Stück auch zu keiner Aufnahme in den Himmel. Zu dem kirchlichen Hochfest von heute, das ja längst ein noch höheres weltliches ist, sei eine kleine Übertreibung erlaubt: Unsere Hochfrau ist heute Rosemarie Pamer. Die Bürgermeisterin von St. Martin in Passeier ist Südtirols dienstälteste Gemeindepolitikerin. „Ältest“ ist unschicklich gesagt. Frau Pamer ist erst 50. Aufs Jahr, den Tag und die Stunde genau gleich alt (geboren 19. März 1971 um halb 11) wie Landeshauptmann Kompatscher, den sie schätze, „und das nicht nur deswegen“.

1995, das sind 26 Jahre her, und in der Passeirer Tourismushochburg ging es politisch wieder einmal drunter und drüber, wurde die damals 24jährige Bergbauerntochter über eine Bürgerliste in den Gemeinderat und von diesem gleich in den Ausschuss gewählt. Nach fünf Jahren ist sie Vizebürgermeisterin und seit 2010 regierende Bürgermeisterin. Bauern und Arbeitnehmer sind ihre politische Hausmacht. Wer das für eine zu beliebige Einordnung hält, muss wissen, die Langzeitbürgermeisterin hat keine strenge Auffassung von Parteizugehörigkeit. Sie spricht von Partei als von einer „Plattform“, was nicht sehr innig klingt. Es brauche sie halt, aber eine Kirche ist es für sie nicht.

Größeres Anliegen ist ihr, dass die Frauen „in der Politik endlich vom Fleck kommen“. Sie selber, gibt Pamer zu, sei zuerst auch eher „nur als Quotenfrau“ in ihre Ämter geschupst worden. Dass ein Gruppenfoto ohne Frau ein schlechteres Bild abgibt als eines mit, soviel Geschmack hätten die Passeirer schon damals bewiesen. Inzwischen hat sich die Passeirer Frau längst aus der Gehschule mit der Quote emanzipiert. Sie wird gewählt lang nicht mehr „weil“ Frau, sondern eher „obwohl“. Rosemarie Pamer hat einige Frauenrechtsschlachten geschlagen, die es zu landesweitem Aufsehen gebracht haben. Da entblödete sich nicht vor einem Jahr der Rat der Gemeinden, also Südtirols Bürgermeisterversammlung, nach dem Präsidenten auch noch Männer zu dessen drei Vize zu wählen. Die Passeirerin führte die Macho-Mander gehörig vor, allein vergebens. Es mangelte letztlich am Kampfgeist der Kolleginnen.

Parteidisziplin ist Rosemarie Pamers Tugend eher nicht. Als letzten Herbst im benachbarten Meran die SVP dem gewählten Bürgermeister Rösch seine meistgewählte Stadtratskandidatin Madeleine Rohrer streitig machte und so Neuwahlen provozierte, kam aus Passeier parteiliche Widerrede: „schäbig!“ Unbefangen erlaubt sich die SVP-Bürgermeisterin die Meinung: „die Foppa macht gute Politik“. Dass die Innichner Bürgerlisten-Bürgermeisterin Rosmarie Burgmann abgewählt wurde, hält die Passeirer Kollegin für „so unerwartet wie bedauerlich“. „Das große Pustertal“, höhnt sie, „hat so keine einzige Bürgermeisterin mehr, wir im Burggrafenamt haben fünf“. Landesweit gibt’s 13 Bürgermeisterinnen. „Kläglich. Ich hatte mit 20 gerechnet“. Woran es liegen könnte?

Neulich trafen sich die Bürgermeisterinnen bei der neugewählten Karin Jost in Neumarkt. Dabei hat die Dienstälteste den jüngeren Kolleginnen Tipps erteilt: „Das Problem von uns Frauen ist, dass wir Perfektionistinnen sind“. Das zehre und lasse scheitern. Und schrecke weitere Frauen ab, es in der Politik zu versuchen. „Wir müssen das Geschäft mit mehr Gelassenheit angehen“, rät die Erfahrene. Sie selber befolgt ihren Ratschlag, indem sie neuerdings „wieder ein paar Stündlein unterrichtet“. Rosemarie Pamer hat Biologie und Mathematik studiert. In der Schule, sagt sie, „bekomme ich Volkes Stimme zu hören“. Ob das im Bürgermeisteramt nicht möglich ist? Schon, aber anders, man sei halt als Amtsperson– „in einer Blase, sagen sie heut“. Rosemarie Pamer ist beim Reden nicht leicht zu unterbrechen. Sie spricht wie sie aussieht: zupackend, hemdsärmelig, mit beiden Füßen am Boden (was man am Foto nicht sieht, aber ahnt). Als Erkennungszeichen für sie kann gelten: von zweien die wachere. Die Frau ist geschieden, lebt in Partnerschaft mit Florian. Der gemeinsame Sohn Max, 13 und jüngster Pfarrmesner der Diözese, denkt ernstlich, Priester zu werden. „Sollte er es einmal sein, lassen Florian und ich uns von ihm trauen“. Aufregende Familienverhältnisse, werfe ich ein. „Aufregend, warum? Wir in Passeier sind tolerante Leut“.

Eine letzte Frage nur noch: Was ihr am meisten Freude bereite an der Bürgermeisterei. Antwort Hochunserfrau: „Wenn ich durchs Dorf fahre, und die Leute grüßen mich“.

Foto: Rosemarie Pamer, Bürgermeisterin von St. Martin in Passeier


Flor now
Facebook Link