Florian
Kronbichler


Die wohlgemute Co.

Es müssen schon Zeichen und Wunder geschehen sein , dass eine Südtiroler Politikerin (die nicht grad Eva Klotz heißt) von der gesamtstaatlichen Presse wahrgenommen wird. Vergangene Woche ist das geschehen. Corriere della Sera gleich wie La Repubblica, Il Fatto Quotidiano und Domani haben über ein grün-rotes Wahlbündnis berichtet, und allesamt haben die Nachricht mit einem Sager einer gewissen Marlene Pernstich von den Verdi sudtirolesi aufgemacht. Genauer gesagt: Um den Sager ging’s. Und dieser wiederum einiges viel über den Wissensstand von Italiens politischen Reportern von heute.

Denn was sagte die tapfere Südtirolerin bei ihrem ersten römischen Auftritt für Neuigkeit, dass die vereinigte Großpresse es in den Schlagzeilen-Stand erhob? Sie sagte, die notwendige ökologische Wende werde sich nur durchsetzen, wenn sie auch sozial wünschbar erscheint. Tatatata! – es ist ziemlich wörtlich die Grundaussage von Alexander Langers Vortrag bei den Toblacher Gesprächen von 1994. Also bald 30 Jahre her. Jener Vortrag über die ökologische Wende (Langer sprach gern von „Conversione“ im Sinn von Bekehrung) gehört neben dem von den „zehn Punkten fürs Zusammenleben“, auch von 1994, zu Langers bedeutendsten und meistbemühten politischen Texten.

Der Satz von der notwendigen Verbindung von Umwelt- und Sozialpolitik gilt seither als Klassiker der Polit-Literatur. Verständlich daher und verdienstvoll, dass die Südtiroler Grüne ihren gesamtstaatlichen Freunden zur abermaligen Wahlehe mit der radikalen Linken die passende programmatische Morgengabe dargebracht hat. Verwundern muss hingegen, dass den Journalisten der Satz so aufregend neu vorgekommen ist. Es spricht nicht für langes Gedächtnis in den sonst doch so Langer-vernarrten Redaktionen. Marlene Pernstichs Auftritt in Rom war Beweis, wie sehr Wiederholung ab und zu notwendig ist und nützlich sein kann. Repetita juvant – wiederholen hilft, ermahnte der Lateinlehrer. Gilt immer noch.

Marlene Pernstich. Die Kalterin ist beruflich Arbeitsberaterin und politisch Gemeinderätin der Bürgerliste ihres Dorfes. Somit verbindet sie in ihrer Person sinnfällig öko und sozial. Außerdem ist Pernstich seit letztem Samstag wiederbestätigte Co-Vorsitzende der Südtiroler Grünen-Verdi-Verc. Diese lieben es, wenn ihr Name ab und zu in der landesgültigen Dreisprachigkeit ausdekliniert wird. Sie sind in der sonst wildwuchernden Parteienflora die einzigen mit dem Anspruch, Südtirols Menschen aller Sprachen zu vertreten. Sie selber heißen ihre Vorsitzenden offiziell Sprecher. Soll gleicher klingen, weniger hierarchisch. Und auf dass ja keinem Primus zu sehr der Kamm schwillt, werden bei den Grünen seit einiger Zeit gleich zwei Personen an die Spitze gesetzt. Sie heißen dann beide Co-Sprecher, was eher nach Teilung als nach Doppelung klingt. Grüne reagieren gern allergisch auf Autorität.

Marlene Pernstich teilt sich ihr Co.-Amt mit dem Eppaner Felix von Wohlgemuth. Dieser ist von Beruf Rechtsanwalt und politisch auch Gemeinderat, halt im Nachbardorf. Solche Nähe wird nach grünem Selbstverständnis eher als Not- denn als Ideallösung empfunden. Wie sehr landläufig als proporzskeptisch wahrgenommen, sind Südtirols Grüne intern selber einem derart fein gesponnenen Proporznetz verpflichtet, dass sie sich unvermeidlich darin verheddern. Mann-Frau, deutsch-italienisch, Stadt-Land, alt-jung – der Anspruch auf angemessene Vertretung für alle und alles endet in einem parteiinternen Proporzistan. Bislang schaffte man mindestens die geschlechtliche Gleichbesetzung der Spitze, sprachlich reichte es nicht mehr.

Als Sprungbrett für eine weitere Polit-Karriere hat sich das Sprecher-Amt in der Geschichte der Südtiroler Grünen eher wenig hilfreich erwiesen. Viel Gscher, wenig Ehr. Für die wenigsten, egal ob soli oder Co., hat sich die Hoffnung auf den Sprung in den Landtag erfüllt. Brigitte Foppa, heute unbestrittene Leitfigur der Bewegung, ist hierin die Ausnahme von der Regel. Es wäre die Erfüllung grünen Paritätsanspruchs, könnte Co-Sprecher Felix von Wohlgemuth es der Vorgängerin demnächst gleichtun.  Die Ambition darauf dürfte bestehen. Wie unprätentiös hingegen die Amtsauffassung von Kollegin Marlene Pernstich! Allem Medienhype letzter Woche zu Trotz, die wohlgemute Co. des Felix lässt ausrichten: Sie kandidiert nicht. Kaltern ist ihr gut und groß genug.


Flor now
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