Florian
Kronbichler


Es sei denn, SVPler sind so klug

Warum Südtirols dritter Senatssitz den Italienern gehört. In Zukunft erst recht.

Der Wahlkampf wird um sein, ohne dass er überhaupt stattgefunden hat. Es mag am vorweggenommenen Ergebnis liegen, das alle schon zu wissen glauben. Rechts gewinnt, da sei nichts mehr zu machen. Ob das reicht Zur Entschuldigung, dass auch die Südtiroler Parteien sich zum Anlass so gar nichts Eigenes, geschweige Neues einfallen lassen? Das Ergebnis wird’s zeigen. Am bequemsten macht es sich die Volkspartei. Sie muss sich nichts einfallen lassen. Die Partei hat das Wahlgesetz auf ihrer Seite. Es ist derart schamlos zu ihrem Vorteil, dass sie zumindest nicht noch schamloser damit umgehen sollte. Zu offenkundige Vorteilnahme kann sich irgendwann rächen. Wahlen mehr per Gesetz gewinnen als durch Wahl, ist undemokratisch, und dass immer weniger Menschen zur Wahl gehen, gerade in Südtirol, ist der Beweis dafür. Gewählte zu wählen verdirbt das Spiel. Oder ist es etwa nicht bezeichnend, dass die SVP nichts Originelleres auf die Plakate bringt als ein banales „Team Autonomie“? „Team Autonomie“ hieß sich vor zehn Jahren einmal ein Ein-Frau-Team, Artioli (Elena) sein Name damals, und wir alle durften lachen. Dazu kommt, was vor jeder Wahl immer schon Trumpf war, nämlich die ethnische Erpressung: In Rom, besser gesagt: gegen Rom geschlossen. Derart gedankenlos wird diese Einig-Volk-Fürbitte herabgebetet, dass die SVP, wäre sie konsequent, bei den kommenden Landtagswahlen selber zu Parteienvielfalt aufrufen müsste. Das einzig Neue, das sich die Volkspartei-Strategen zu diesen Parlamentswahlen haben einfallen lassen, ist die Erinnerung an Altes: Seit der Streitbeilegung von vor 30 Jahren sei allerhand an Rechten verloren gegangen. Durchführungsbestimmungen würden missachtet, der Verfassungsgerichtshof habe gekappt, was einmal gegeben war. Kurz, um die Autonomie sei es schon einmal besser gestanden. Ausgerechnet der Landeshauptmann, und das durfte einen überraschen, hat sich seine Festrede zum 50-Jahr-Jubiläum der Südtirol-Autonomie am 5. September in Meran mit einem Klagekatalog verdorben. Der Staat Italien sei nicht mehr nur knauserig mit der Herausgabe neuer autonomer Zuständigkeiten, er kassiere nun sogar bestehende. Als wollte er sagen: Es sei uns besser gegangen, als es noch schlechter ging.Alles Bemühen um weitere autonome Zuständigkeiten in Ehren, aber wie steht es um den Umgang mit den Zuständigkeiten, die wir haben? In der Tat fällt auf, dass der Staat neuerdings genauer hinschaut, als uns lieb ist, wie wir mit unseren Zuständigkeiten, mit autonomen Rechten, umgehen. Aktuelles Beispiel: Wie gehen wir um mit der hoch gelobten Paketmaßnahme 111, die Südtirol drei Senatswahlkreise zuweist und – sicher mit Geschick der SVP – gleich drei Wahlrechtsreformen heil überstanden hat? Drei Senatoren für Südtirol! und das sogar weiterhin im künftig von 315 auf 200 zusammengekürzten Senat. Die Region Abruzzen hat einen einzigen. Es war ein gewährtes Privileg, gerechtfertigt damit, dass die Sprachgruppen in Südtirol ihrem Verhältnis nach vertreten seien. Konkreter: dass auch ein Italiener die Chance hat.Das Recht pervertierte schon bisher zum Privileg, also Unrecht. Weil es von der SVP nicht in dem Geist respektiert wird, in dem es gewährt wurde. Die notorische Zersplitterung der italienischen Parteienlandschaft ausnutzend, bringt sie entweder, wie diesmal wieder, gleich einen eigenen dritten Senatskandidaten in Position, oder bedingt mit ihren Stimmen einen ihr genehmen italienischen Kandidaten. Es darf somit in Südtirol keinen Senator „der“ Italiener mehr geben, sondern allenfalls einen „für“ die Italiener. Einen Italiener von Volkspartei’s Gnaden. Der Zynismus der Macht, mit welchem die SVP bei den letzten Parlamentswahlen unseren italienischen Landsleuten den Senator Bressa und, noch schlimmer, die Abgeordnete Boschi vorgesetzt hat, wird sich rächen. Den „disagio“ der italienischen Sprachgruppe gibt es, und die bewiesene Gespürlosigkeit der SVP nährt ihn. Die italienischsprachigen Südtiroler werden sich die Entmüdigung à la longue nicht gefallen lassen. Ein eigener Senatssitz mehr ist der SVP wert, ihre Glaubwürdigkeit als verlässlicher Autonomie-Garant aufs Spiel zu setzen. Jeder halbwegs gebildete Volksparteiler weiß, dass einer der drei Südtiroler Senatoren der italienischen Sprachgruppe „gehört“. Gehört, jawohl. Und dass alles andere nur Ausnutzung der Schwäche des Partners ist. „Im Geiste der Billigkeit und Weitherzigkeit“, so steht‘s im Pariser Vertrag, dem Grundgesetz unserer Autonomie. Und unter so einem Geist muss auch ihre Anwendung stehen, will sie Bestand haben. Drei SVP-Senatoren entsprechen ihm nicht. Und vielleicht nehmen es Regierung und Verfassungsgerichtshof auch deswegen mit unseren Autonomie-Paragrafen nicht mehr so genau, weil sie merken, wie wir selber sie beugen und brechen. Freilich trifft die SVP nur der eine Teil der Verantwortung. Ihre Mitbewerber (großes Wort!), die italienischen voran, sind weniger schuld, insofern sie nicht zählen. Sie überbieten einander an Eigenbrötelei in Listen und Listchen, grad als wäre ihr Wahlziel, dem gemeinsamen Gegner SVP als Opfer erhalten zu bleiben. Doch auch die Grünen, und das Team K? Wohl haben sie sich mit einem Rest von Einsicht aufgerafft zu einer Allianz mit dem Partito democratico. Aber ihr Wahlkampf-Einsatz für den gemeinsamen Senatskandidaten Luigi Spagnolli? Wenig beherzt. Wer sollte den demokratischen italienischen Part unseres sonst so mehrsprachig tuenden Südtirols spielen im nächsten, verkleinerten Senat, wenn nicht er? Es bleibt eine Hoffnung: Es gibt genug verantwortungsbewusste, kluge, über den nächsten Wahltermin hinaus denkende SVPler, denen das gedeihliche Zusammenleben der Sprachgruppen im Land mehr wert ist als der eine erschlichene deutsche Senatssitz mehr.


Flor now
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