Florian
Kronbichler


Nächster Bahnhof: Mali in Bozen

Ist schon 20 Jahre her, aber der Gutachter ist hochkarätig, und sein Befund gilt heute noch: „Am Bozner Bahnhofsplatz sind Zustände wie in Mali.“ Stammt von Luis Durnwalder, der zu der Zeit Landeshauptmann war. Der bereiste in seinem Urlaub gern ferne Länder, in denen Südtirol sogenannte Hilfsprojekte finanzierte. „Lokalaugenscheine“ nannte er seine Expeditionen, und an seinen Eindrücken von den bereisten Ländern ließ er uns Daheimgebliebenen hintennach immer bildhaft teilhaben. Von daher wissen wir, dass Mali ein armes Land in Westafrika ist, und haben eine Vorstellung von den Zuständen an den Bahnhöfen dort, respektive den Plätzen davor.

Wie auf dem in Bozen soll es da zugehen. Vor zwanzig Jahren, wie gesagt, aber indem sich in Bozen daran nichts oder allenfalls alles nur zum Schlechteren verändert hat, wollen wir das an einem einzigen Aspekt nachempfinden. Der Verkehr vor dem Bozner Bahnhofsplatz ist mit zwei Ampelanlagen – äh- geregelt ist ein zu beschönigender Ausdruck. In keinem zivilisierten Land sind Bahnhofsplätze heute noch ampelbewehrt. Denn wer zum Zug hastet, lässt sich diesen ungern von einer blöden Ampel versäumen.

Doch wenn die Ampeln wenigstens gerecht wären! Aber nein, auch darin ist Bozen ganz auf Dritte-Welt-Linie: erst kommt das Auto, dann der Mensch. Die Ampeln für die Fußgänger schalten für exakt 12 Sekunden auf grün. Ältere und Schwächere schaffen es damit recht und schlecht bis zur Straßenmitte, es folgen 4 Sekunden Gelb, mit stressendem Dalli-dalli-Signalton.

Heil auf der anderen Seite angekommen, ist das Gefühl dann: gerade noch geschafft. Die Ampeln schalten um auf „freie Fahrt dem Auto!“, für 58 Sekunden. Fast fünf Mal so lang wie für die Fußgeher. Land Südtirol, Gemeinde Bozen: euer Geschwätz „von der Straße auf die Schiene“ erfährt hier minütlich seine Widerlegung. Mali vor 20 Jahren ist Bozen heute noch.


Flor now
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