Titelhuberei
Gehobene Despektierlichkeit beanspruche ich gern für mich selber, und entsprechend eifersüchtig reagiere ich, wenn es darin jemand mit mir aufzunehmen wagt. Da erlaubt sich das Katholische Sonntagsblatt in seiner letzten Nummer gleich auf Seite 2 eine verbreitete Südtiroler Unart zu verreißen. Die Kommentatorin Ilse Klotz-Pauer verhöhnt darin das Tragen akademischer Titel als „Persönlichkeitskrücke“ und geht soweit, bei deren Trägern „Auswüchse eines fehlenden Selbstbewusstseins“ zu orten. Bin ganz einverstanden, aber der Befund stammt halt nicht von mir, und mich in diesem Fach ausgerechnet von der Kirchenzeitung löchern zu lassen, nagt halt wiederum an meinem Selbstbewusstsein.
In der Tat, wir Südtiroler sind ein ausgesprochen titelgläubiges Völkl. Eher schlimmer als die Österreicher, bei denen die Titelhuberei ja identitätsstiftend ist und somit verziehen sei. Wir nehmen von Österreich, was es uns gibt, und behalten, was Italien uns lässt. Wir sind zweisprachig und was Titel betrifft, doppelzüngig. Wir übersetzen nicht österreichische Titel korrekt ins Italienische, sondern fügen den einen die andern hinzu. Wer „draußen“ seinen Magister macht, schimpft sich hier ungeniert Doktor. Ist zwar geschwindelt, doch dem italienischen Staat ist das wurscht. Dottore ist eh ein Schimpfwort, drum nennt sich kein echter mehr so, und Dottó ist umgangssprachlich ein Grußwort.
Wir in Südtirol glauben noch dran und sind großzügig. Im Geben wie im Nehmen. Der großzügigste Titel-Geber im Land ist für mich zweifelsfrei der Seniorchef der Pustertaler Zeitung. Der schreibt, wenn er den Landeshauptmann meint, systematisch vom „Gouverneur der Provinz Mag. iuris Dr. Kompatscher“. Auf der Titel-Nehmerseite, was links wäre, hat sich neulich der Präsident der Michael-Gaismair-Gesellschaft als „em. Univ.Prof. DDr.“ vorgestellt. Ausgeschrieben und mit Namen, der darauf folgt, füllt das zwei Zeilen.