Florian
Kronbichler


Kommt der Landeshauptmann, und …

Dass die Gewerkschaften nichts mehr zu sagen haben, ist bedauerlich, aber nicht neu. Die längste Weil schon keine Streiks mehr und von Erfolgen nicht zu reden. Die große Kundgebung mit einigen tausend Teilnehmern vorm Landhaus von neulich, heißt es, habe die Gewerkschaften mehr überrumpelt als die Landesregierung selber. Wer sie veranstaltet hat? Die Gewerkschaft war’s nicht. Im Landtag hat tags darauf die Landesrätin Waltraud Deeg geschimpft, die rebellischen Landesbediensteten seien nur aufgehetzt worden und anmarschiert, weil sie um die wirkliche Sachlage nicht gewusst hätten. Dass solches nur möglich ist: Die höchste SVP-Arbeitnehmervertreterin, die bisher auch noch Landesrätin fürs Personal war, stellt protestierende Arbeitnehmer als verführte Dummelen hin! In Ländern mit Gespür für politische Schicklichkeit gäbe es Rücktrittsforderungen. 

Nicht bei uns. Hier ist noch viel mehr möglich. Waltraud Deegs Ungeheuerlichkeit, verbrochen immerhin im Plenum des Landtags, also höchstamtlich, zog bei keiner der sonst so pressemitteilungsfreudigen Gewerkschaften auch nur ein Wörtchen der Empörung nach sich. Warum nicht? Können Gewerkschaften so dickfellig sein? So zerstreut? Ich versteh’s nicht.

Ich verstand auch heute wieder etwas nicht. Heute, 1. Mai, Tag der Arbeit, Festtag der Gewerkschaft – immer noch. Die Konföderierten hatten ihr 1.-Mai-Fest, so wie die letzten Jahre schon, auf den Bozner Talferwiesen vorbereitet. Es ist inzwischen eine den landesüblichen Wiesenfesten nachempfundene Veranstaltung, wogegen nichts zu sagen ist. Die Abspeckung alter Gewerkschaftszeremonie ist ein Fortschritt. Der ASGB hat solches nicht notwendig. Er macht auf Wiesenfest seit Anbeginn und ist darin verständlicherweise besser. 

Ein Fortschritt ist auch, dass es heute mehr Feier gibt und weniger Predigt. Ein bisschen Predigt muss natürlich sein, was wär das sonst für 1. Mai und was für Gewerkschaft. Die Reden waren auf 11 Uhr angesagt. 11 Uhr – ist das früh? Im Unterschied zu früher, als die Gewerkschafter in Südtirol ihre Festreden ausschließlich selber bestreiten mussten, kommt neuerdings Landeshauptmann Arno Kompatscher regelmäßig auch zu den Konföderierten auf Besuch. Diese Gleichbehandlung ehrt den Landeshauptmann gleich wie die früher stets diskriminierten Könföderierten. 

Ich frage mich nur, ob diese sich die Aufwartung des Landeshauptmanns verdienen. Da trifft Kompatscher, passend locker zum Fest, pünktlich zum angekündigten Zeitpunkt am Festplatz ein, und wen findet er da: niemand! Nein, nicht grad niemand. Es sind die Generalsekretäre der drei Gewerkschaften da, die eine und andere Ex und ein paar Zufallspassanten. Ein improvisiertes Empfangskomitee. Gemessen an den immer stolz hergezeigten vorgeblichen 35.000, 43.000 und 15.000 Mitgliedern ein fürwahr wenig repräsentatives Häuflein. Der Landeshauptmann tut das Möglichste, um nicht Peinlichkeit aufkommen zu lassen, flachst mit den Compagni, steht zum Schluss aber doch sehr lang sehr einsam auf dem Festplatz, der sich nicht füllen will. Irgendwann setzt er sich auf eine der vielen leeren Bierbänke. Nicht in eine erste Reihe, nein, ein Stück hinten, wo auch leer ist. Später ist er dran, geht ans Podium und spricht. Spricht gut und herzerwärmend. Tapfer, als wäre er kein bisschen beleidigt.

Es war ein bisschen zum Schämen. Oder ist es Unterwürfigkeit zu erwarten, dass die Gewerkschaft, wenn der Landeshauptmann sie zu ihrem Fest beehrt, auch da ist? Ihn zumindest mit einer einigermaßen repräsentativen Besetzung empfängt? Ich mag keinem Gewerkschaftsmitglied ein schlechtes Gewissen machen. Sie haben heute Feiertag und frei. Aber die gar nicht so wenigen hauptamtlichen Funktionäre und MitarbeiterInnen? Sie verstehen mich schon. Ich bin altmodisch.

Foto: Arno Kompatscher, rechts allein auf der Gewerkschaftsbühne


Flor now
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