Florian
Kronbichler


Buchhalterin ihrer Welten


Die Malerin Paula Prugger stellt in Bozen aus. Montag Abend in der Galerie „La Stanza“ in der Horazstrasse spreche ich um 19 Uhr zur Eröffnung.

Was uns diese Künstlerin etwa zeigen will? Dass sie lang weg war? Weit weg und weiß Gott wo überall? Dass sie heimkam und was sie mitgebracht hat? Es ist nicht mehr leicht zu beeindrucken mit der eigenen Weltläufigkeit. „Reisen bildet“ – das war einmal. Es reist doch jeder, und man braucht sich nur die Leute anzuhören, wenn sie wieder zurückkommen: Sind sie gebildeter? Oh, wenn Reisen hülfe! Wir wären eine hochgebildete Gesellschaft, denn wir reisen ja fortwährend.

Diesen Montag, 13. Mai, ist Gelegenheit, unsere Vorurteile über Wert oder Vergeblichkeit des Reisens zu widerlegen. In der „Espace – la Stanza“, das ist eine kleine, noch zu wenig bekannte Galerie in der Horazstraße in Bozen, auf der Höhe, wo die Straße einen 90-Grad-Knick macht, dort eröffnet um 19 Uhr eine Ausstellung. Sie heißt auf Italienisch „Porta gioia ovunque tu vada“ und auf Deutsch „Glück ist eine Aufgabe“. Die Malerin Paula Prugger zeigt darin 18 neue Bilder. Kann auch nicht generell gesagt werden, Kunstwerke seien in Form gefasste Biografien ihrer Schöpfer, im Fall von Paula Prugger ist dies in einem hohen Maß der Fall. Sie malt, was sie ist.

Paula Prugger, Spross einer Olanger Gastwirte- und Bürgermeisterdynastie, hat den Großteil ihres bald 70jährigen Lebens außerhalb ihrer Heimat verbracht. Und doch ist sie auf eine sehr besondere Weise heimatverbunden – zu sagen: geblieben, wäre missverständlich. Heimatverbunden geworden, trifft es besser. Die Frau, die in Linz, Urbino und Bologna Kunst studiert und bis heute an die zwei Dutzend Einzelausstellungen bestritten hat, wäre am treffendsten definiert mit „Mitteleuropäerin“. Mitteleuropäerin im Sinne, wie der Triestiner Schriftsteller Claudio Magris den Begriff versteht: Er hält ihn weniger für eine geografische als vielmehr für eine kulturell soziologische Bezeichnung. Gemeint ist mit „Mitteleuropa“ die Geisteswelt der Habsburg-Monarchie zu Anfang des vergangenen Jahrhunderts, sehr kosmopolitisch, antinationalistisch, sehnsuchtsvoll, aber hoffnungslos. So wie die Monarchie in ihren letzten Zuckungen es eben war.

Ja, Claudio Magris, wie der mit seiner Triestiner Philologen-Gilde über Jahrzehnte allweihnachtlich in Antholz-Mittertal beim Bruggerwirt Quartier bezog und hier den Stoff für sein „Antholz“ zusammentrug, eines der scharfsinnigsten Südtirolporträts überhaupt, dieser Claudio Magris hätte an Paula Prugger im benachbarten Olang die Verkörperung seines Mitteleuropa-Ideals entdecken können: Die Südtirolerin lebt und wirkt pendelnd zwischen Triest, Böhmen, Salzburg, nicht zu vergessen das friulanische Udine. Irgendwann bricht sie aus dem kakanischen Beziehungsnetz aus und zieht – ja, nach Brasilien und taucht dort ein in die mystische Welt der Schamanen. Bei aller Schwäche fürs Fantastisch-Visionäre bleibt die Mitteleuropäerin jedoch immer auch scharfe Beobachterin, ist stets mit der Verwertungshaltung der Dokumentaristin unterwegs, nie ohne Notizblock und Fotoapparat. Die festgehaltenen Naturfundstücke veredelt  sie hinterher zu gemalten Bildern.

Unvermeidlich bei einer solchen Künstlerinnen-Biografie, dass einem nicht der große Mitteleuropäer Stefan Zweig in den Sinn kommt. In seinem Werk „Brasilien: Ein Land der Zukunft“ steht alles von dem, was heute, bald 100 Jahre später, Paula Prugger in ihren Bildern wiederauferstehen lässt. Prugger ist nach Südtirol zurückgekehrt. Die Bilder, die sie in „Espace – La Stanza“ die nächsten zwei Wochen zeigt, hat sie das letzte halbe Jahr in Bozen gemalt. Sie hat in ihnen viel Brasilien mitgebracht. 

Paula Prugger, Ausstellung vom 13. bis 25. Mai 2019 in „Espace – La Stanza“, Bozen, Horazstrasse 34 a. Vernissage: Montag, 13. Mai, 19 Uhr.


Flor now
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