Florian
Kronbichler


Mit dem Tod hört die Feindschaft auf.

Martha Stocker bei der Gedächtnismesse für Luis Amplatz. Schande! Müssen wir uns für eine Selbstverständlichkeit jedes Mal eine derart berechenbare politische Polemik antun? Wüssten wir nicht, dass beide Seiten, hie die Martha und ihre Kompanien, dort Urzì und Camerati, mehr auf die Reaktionen spekulieren, als dass sie von diesen überrascht wären, man möchte gern Argumente liefern.
Warum sollte Martha Stocker, warum sollten Nachfahren überhaupt nicht an einem Gedächtnisgottesdienst teilnehmen dürfen? Ja, warum nicht? Ich bin fest überzeugt, für Gedächtnisgottesdienste hat das Gleiche zu gelten wie für Begräbnisse. Jeder, auch der schlimmste Mörder hat Recht, würdig begraben zu werden. Und dementsprechend auch würdig bedacht zu werden. Das vergessen viele in ihrer peinlichen Anti-Gewalt-Rhetorik.
Ich hatte Gelegenheit, das im Parlament vor bald einem Jahr anlässlich des unwürdigen Schauspiels des (beinahe verhinderten) Begräbnisses des Nazi-Mörders Priebke auszuführen. Sich als Widerstandskämpfer und Antifaschisten aufspielende Politiker meinten damals partout, der 100jährig verstorbene Verbrecher dürfe nicht in Rom, wo er zuständig war, begraben werden. Ich halte solches Rache-Gehabe für widerwärtig und kulturlos.
Man muss nicht auf Sophokles und seine Antigone zurückgehen: Es gehört nicht nur zur christlichen, es gehört zur humanistischen Selbstverständlichkeit, dass jeder Mensch das Recht auf Beerdigung hat und nicht auf dem „Schlachtfeld“ einfach liegen gelassen werden darf, auch nicht auf dem der Ideologie. Den Feind begraben ist ein moralisches Gesetz genauso wie einen Ertrinkenden zu retten. Um an Lampedusa zu erinnern.
Die Polemik um das Teilnahme-Recht einer Demokratin am Luis-Amplatz-Gedächtnisgottesdienst bringt mir ein weiteres Beispiel in Erinnerung: Manfred Rommel, Sohn des legendären „Wüstenfuchs“ Erwin und letztes Jahr verstorben, war Oberbürgermeister von Stuttgart, als 1977 dort im Hochsicherheitsgefängnis Stammheim die Rote-Armee-Fraktion-Anführer Baader, Raspe und Ensslin Selbstmord begingen. Als es zum Begräbnis kam, gab es dort noch die viel wüsteren Tumulte als vor einem Jahr in Rom wegen Priebke. Die Terroristen sollten kein ordentliches Begräbnis in der Stadt bekommen. Oberbürgermeister Rommel (CDU) widerstand dem Mob. „Mit dem Tod muss die Feindschaft aufhören“, sagte er. Diesen Leitspruch sollten sich auch die Verwahrer der jüngeren Südtirol-Geschichte ab und zu vergegenwärtigen.

Florian Kronbichler


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