Florian
Kronbichler


Verfassungspatriot und Autonomie

Ieri, venerdì, in Consiglio Provinciale c’è stata l’audizione dei parlamentari sudtirolesi sulla riforma costituzionale e i suoi effetti sull’autonomia del Trentino-Alto Adige/Südtirol. A riferire c’erano i senatori Zeller e Palermo nonché i deputati Luisa Gnecchi, Daniel Alfreider ed io stesso. I giornali di oggi scrivono dell’evento come se si fosse trattato, in sostanza, di un polemico battibecco fra Zeller e me. Così non è stato. Io, della riforma nonché della legge elettorale e sulle prospettive per l’autonomia ho dato un giudizio assai diverso dei colleghi della SVP. Il fatto non dovrebbe sorprendere, essendo io l’unico rappresentante sudtirolese d’opposizione in Parlamento e non avendo mai fatto misteri sulle mie posizioni in merito.
Per chi voglia sapere di preciso che cosa io abbia detto all’udienza in Consiglio provinciale, qui di seguito il testo (in tedesco) del mio intervento.

La riforma costituzionale e l’autonomia

Ich bin ein Verfassungspatriot, so wie ich ein Autonomie-Patriot bin, und ich weiß schon, dass das heute als konservativ gilt. Es sollte nicht so weit kommen, dass es als Heimatverrat und für unsüdtirolerisch gilt, von „unserer Verfassung“ zu sprechen und diese zu schätzen. Was das Autonomiestatut anlangt, so teile ich nicht die Schwärmerei über ein „drittes Autonomiestatut“, ob nun institutionell oder partizipativ herbeigeführt. Hier vertrete ich den Standpunkt: was man hat, hat man, und zum Pakete-Aufschnüren ist es nicht die Zeit.

Leider vermag unser Autonomiestatut immer noch nicht den Charme auf seine Menschen auszuüben, wie das von der italienischen Verfassung für die Italiener gesagt werden kann. Es gibt weiterhin keinen wirklichen „Autonomie-Patriotismus“. Die Autonomie, die dem Land und seinen Menschen Frieden und Wohlstand gebracht hat, wird selbst von höchstverantwortlichen Politikern immer noch nur als „geringeres Übel“ missachtet. Das ist bedauerlich und ein Versäumnis der Landespolitik. Und es ist auch beleidigend für Qualität und Liebenswürdigkeit des Autonomiestatuts, juristisch wie sprachlich, dass fortwährend von einem notwendigen „Dritten Autonomiestatut“ gesprochen werden muss.

Autoritär, zentralistisch, schlampig.

Die Verfassungsreform, so wie sie sich nach der ersten Lesung präsentiert, ist mir zu autoritär, zu zentralistisch, zu schlampig. Mit dieser Reform werden wir ein Parlament von weitgehend nicht gewählten, sondern ernannten Parlamentariern haben, ernannt vom vermeintlichen Partei- und dann Regierungschef. Denn wir müssen diese Verfassungsreform immer im Zusammenhang mit der Wahlrechtsreform beurteilen. Der größten Partei wird ein unverhältnismäßig großer Mehrheitsbonus gewährt, und die Vertretung des Wählerwillens wird damit unerträglich verzerrt.

Dazu werden die Vollmachten der Regierung gestärkt auf Kosten des Parlaments. Und die des Zentralstaates auf Kosten der Regionen und kleineren Einheiten. Ohne es offen zuzugeben, steuern wir von der bisherigen parlamentarischen Demokratie auf ein Präsidialsystem zu. Und aufgepasst: Richtige Präsidialsysteme wie die USA oder Frankreich haben demokratische Gegengewichte zur Macht des Präsidenten eingebaut. Der amerikanische Kongress ist unabhängig vom Präsidenten. In Italien mit der drohenden neuen Verfassung wird das Parlament zum Vollstreckungsorgan des Premiers degradiert.

Der Senat heißt künftig wohlklingend „Senat der Autonomien“, und gleichzeitig werden die Regionen um ihre Autonomie gebracht. Den Senat ganz abzuschaffen wäre gescheiter, ihn allenfalls mit einer Länderkammer nach dem Vorbild des deutschen Bundesrates zu ersetzen, das Beste. So werden wir 100 sogenannte Senatoren haben, nicht gewählt, Regionalratsabgeordnete und Bürgermeister, die zu Feierabend-Senatoren werden, unbezahlt, dazu auch noch Alt-Staatspräsidenten, Senatoren auf Lebenszeit … Ich frage mich, was tun diese Herrschaften in einem „Senat der Autonomien“?

„Fino all’adeguamento“

Nun aber die Frage, was hat das alles mit uns und Südtirol zu tun? 40 Artikel unserer Verfassung werden geändert, und uns soll das nicht betreffen? Da wir doch die Schutzklausel haben. Bis zur Anpassung – fino all’adeguamento – ihrer Statuten, sollen die Regionen (und Länder) mit Sonderstatut von der Reform unberührt bleiben. Bis – und Termin ist keiner gesetzt. Passen wir einfach nichts an, so bleibt die Verfassungsreform unterhalb Ala stehen? Solches Denken entspräche einem primitiven Verständnis sowohl von Verfassung als auch von Autonomie. Ohne gute Verfassung gibt es keine gute Autonomie. Schutzklausel hin oder her. Wir Südtiroler sehen zu fixiert nur darauf, wo Südtirol drauf steht.

Kollege Abi Plangger und ich haben in den letzten Monaten im Zweikammer-Ausschuss für Regionalangelegenheiten viele Anhörungen zum Thema Sonder-Autonomien gehabt. An die 20 zumindest, und gar einige kommen noch – Verfassungsrechtler, Politiker, Richter, Verwalter. Die mehrheitliche Einschätzung von der Schutzklausel lt. Art. 38 des Reformgesetzes: Da hat der Staat den Sonderregionen wohl mehr zugestanden, als er selber gewollt haben kann. Denn gibt’s kein Einvernehmen, gibt’s auch keine Anpassung der Statuten an die reformierte Verfassung.

Es wäre naiv zu glauben, Senator Zeller habe dem Staat ein Haxl gestellt oder ihn gar in die Falle gelockt. Aus einer abgesicherten Autonomie kann leicht ein blockierte Autonomie werden. Und wem das à la longue nützt? Ich teile nicht die Horrorszenarien, die einige Altparlamentarier in diesem Zusammenhang an die Wand gemalt haben. Jedoch ist es schon reichlich problematisch, dass wir mit unserer Schutzklausel in einem Boot zusammen mit den vier bzw. fünf anderen Sonderautonomien sitzen. Darunter mit solchen, die davon wenig halten. Ich bringe dazu ein aktuelles Beispiel.

In den letzten Tagen traten im Ausschuss für Regionalangelegenheiten getrennt, also eher unabgesprochen, der Bürgermeister von Catania, Enzo Bianco, und jener von Palermo, Leoluca Orlando, auf. Der eine war schon Innenminister, der andere Parlamentarier und sonst berühmt, also nicht irgendwelche Nobodys. Beide sprachen sich offen für die Abschaffung der Sonderautonomien aus. Ihre historische Begründung habe sich ergeben, und sozialpolitisch seien sie gegenüber den Normalregionen nicht zu rechtfertigen. Orlando sprach wörtlich von der Sonderautonomie für Sizilien als von einen „Kerker“, einer „Prigione“. Von einer „chinesischen Mauer“, die Sizilien vor den Segnungen der nationalen Gesetzgebung ausschließe. Natürlich gaben beide vollmundig statt, dass Südtirol seinen Sonderstatus weiterhin verdiene.

Das Problem sind alle.

Es sind nicht nur die beiden Sizilianer, die so reden. Die größte Schwäche der Schutzklausel ist, dass sie für alle Sonderregionen gilt. Auch für jene, die sie gar nicht oder nur halbherzig wollen. Zudem wird das Auseinanderklaffen der Sonder- und der Normalregionen immer weniger für erträglich gehalten. Von den angehörten „Experten“ waren eigentlich nur jene wenigen eindeutig für den Beibehalt des Sonderstatus, die – auffällig! – von Südtirol und Trentino regelmäßig mit Gutachter-Aufträgen gefüttert werden.
So unsolidarisch es klingt, ich habe den Eindruck, Südtirol wird sich drauf einrichten müssen, seine Autonomie nur allein retten zu können. Wenn nicht erwünscht, so sicher gezwungenermaßen mit dem Trentino mit im Bunde.

Unter kompetenten Parlamentariern und Verfassungsexperten herrscht die Einschätzung vor, wonach nur Südtirol eine Sonderautonomie „verdient“, brutaler gesagt: dass nur Südtirol sie nicht genommen werden kann. Die Trentiner fürchten auch schon, dass sie abgehängt werden könnten. Ich schätze, dass die Trentiner sich retten, weil der Staat Südtirol nicht allein autonom bleiben lassen wird. Sonderstatus ja (weil international verpflichtet und innenpolitisch weitgehend akzeptiert), aber an die Kette gelegt mit dem Trentino. Alle anderen Sonderautonomen werden eingeebnet werden, vielleicht sogar in Makroregionen vereinigt. Das Auseinanderdriften von Sonderregionen und immer weniger autonomen Normalregionen wird sich nicht halten lassen.

Was die Sonderautonomie auch für das Trentino anlangt, hat Regionen-de-facto-Minister Gianclaudio Bressa erst vergangene Woche im Regionenausschuss auffallend ausgiebig von einem Gespräch des Pariser-Vertrag-Vaters Karl Gruber mit dem Trentiner Monsignor Iginio Rogger erzählt, in dem Gruber die Autonomie auch fürs Trentino als „essenziell“ bezeichnet habe. Bressa wittert also offenbar auch schon Gefahr. Und wie insgesamt die Stimmung für die Autonomie und für unsere diversen „Abkommen“ der politischen Konjunktur unterworfen ist, dafür lieferte ein bedenkliches Beispiel doch nach den Gemeindewahlen unser Schutzpatron Bressa selber. Auf die Bündnisfrage in Leifers und Bozen angesprochen, deutete er schon mehr als mit nur einem Zaunpfahl: Nix Bündnis SVP-PD, nix Sonderabkommen. Oder hab ich falsch verstanden?

Dies alles um zu sagen: Es sieht nicht gut aus um eine gemeinsame Zukunft der Sonderregionen. Sizilien, was mit all seinen Privilegien uns schwer verständlich ist, verzichtet freiwillig. Von Sardinien weiß ich zu wenig, aber die Inselregion scheint mir sehr an Sondermaßnahmen des Staates interessiert. Von Aosta spricht nie jemand und ist auch dem Staat kaum der Rede wert, also wird es sich retten. Friaul-Julisch Venetion hingegen muss sich inzwischen vorhalten lassen, dass es seine Sonderautonomie eigentlich nur der seinerzeitigen Zonengrenz-Lage verdanke. Mit dem Fall des eisernen Vorhangs sei der Sonderautonomie der Nordost-Region die Grundlage entzogen. Somit bleibt Südtirol, wegen seiner internationalen Verankerung, und eben das Trentino, weil: man kann Südtirol doch nicht allein lassen.

Die „paritätische “ Kommission

Das neu geordnete oder neu zu ordnende Verhältnis zwischen Staat und den autonomen Regionen verdient ein Wort auch zu den Autonomiekommissionen. Die Paritätischen Kommissionen heißen sie, bei uns Sechser- und Zwölfer-Kommissionen, und zu ihnen hat Kollege Francesco Palermo ausgiebig und, wie ich meine, auch kritisch publiziert. Auch diese Kommissionen, die eigentlichen Kraftwerke der Autonomie, sind letzthin auffällig viel in Diskussion. Die Parlamente beargwöhnen diese Kommissionen. Sie schleusen gewissermaßen Normen von Verfassungsgesetz-Rang am ordentlichen Gesetzgeber vorbei. Bei allen Zweifeln über deren demokratische Legitimation, ich sehe ihre Wichtigkeit – und vor allem ihr Überleben über alle gesetzten Fristen hinaus – ein. Es braucht sie. Aber auch sie müssen sich legitimieren.
Legitimieren sie sich demokratisch? Da habe ich bei uns manchen Zweifel. Natürlich ist es Interesse des Landes, dass dieses Gremium südtirolfreundlich besetzt ist. Aber Kommissionen müssen vor allem wahr sein, um Vertrauen zu haben und auch Autorität. Sie heißen paritätische Kommissionen, und die Sechserkommission für Südtirol ist gleich doppelt paritätisch. Einmal Staat-Land, und dann auch ethnisch.

Wie sieht es aber tätsächlich aus: Die Vertreter von Land und Region sind: Karl Zeller, Dieter Steger und Roberto Bizzo. Die Vertreter des Staates: Francesco Palermo (als Präsident), Brunhilde Platzer und Daniel Alfreider. Man muss nicht südtirolfeindlich denken, um hier die Parität zu vermissen. Der Staatsvertreter Alfreider, immerhin SVP-Obmannstellvertreter. Francesco Palermo, SVP-PD-Senator. Und was die vorgesehene ethnische Parität anlangt: Da war der Staat aber sehr kulant, und die SVP wenig prinzipienfest. Man kann solche Zusammensetzung für einen zellerischen Handelserfolg betrachten, der Glaubwürdig dient sie langfristig nicht. Die Sechserkommission zu einer Parteikommission zu pervertieren, ist kurzsichtig. So wie es kurzsichtig ist, alles in sie hineinzuziehen, was man auf normal demokratischem, also parlamentarischem Weg nie durchbrächte. Ich sag nur: Lockerung der Gebäudeabstände. Es wird die Kommission ihre Autorität kosten.

Das Selbstbedienungs-Wahlgesetz

Ein Wort noch zum Wahlgesetz, das nicht unerwähnt bleiben darf, wenn man vom Verfassungsreformgesetz spricht. Die Parlamentarierkollegen sprechen, auf die Südtirol-Regelung bezogen, von einem Wahlgesetz wie für einen anderen Staat, was mich nicht stören würde, wenn es besser, demokratischer wäre. Es ist aber das Gegenteil, und vom Italicum für Sdütriol als von einer Lex SVP zu sprechen, ist keine Übertreibung. Es wird hier substanziell ein Mehrheitswahlsystem eingeführt (das schon per definitionem der Mehrheit zupass kommt), und das mit der Begründung, die in Wahrheit eine Ausrede ist, dass nur so – über den Wahlkreis Bozen-Leifers – die Wahl eines italienisch-sprachigen Parlamentariers aus Südtirol gesichert sei. Es ist die Fortsetzung von der Umkehrung des Sinns vom ethnischen Proporz. Auch den verteidigt man inzwischen damit, dass ohne ihn die Italiener nichts mehr bekämen.

Ja, die Italiener bekommen so ihren Parlamentarier. Aber es wird immer ein Parlamentarier mit dem Ruch des Parlamentariers von SVP’s Gnaden sein. Das ist unwürdig, und das ist ein wesentlicher Grund für den berechtigten „disagio degli italiani“.
Und weil man der SVP das Geschenk eines Südtiroler Sonderwahlgesetzes schon einmal gemacht hat, hat man es ihr gleich 150prozentig gemacht und zugelassen, dass sich die Partei auch noch unverhältnismäßig an der Verteilung der drei in der Region zu vergebenden Proporz-Mandate bedienen wird. Es wurde parteilich nach dem fundamentalistischsten Kirchenprinzip verfahren: Extra ecclesiam nulla salus. Dabei hätte die Chance bestanden, für Südtirol ein Wahlsystem durchzubringen, das dem erwachenden politischen Pluralismus gerecht wird, das der Bevölkerung die hierzulande sehr vermissten Vorzugsstimmen zurückbrächte , und das Wahlen wieder mehr Wahlen sein ließe.

Die Südtirol-Variante des Italicums ist ein Akt parteipolitischer Selbstbedienung. Schäbig, und ich kann ihren Autoren nur anwünschen, dass sie auch bei Parlamentswahlen einmal Meraner Verhältnisse erleben. Wenn der Primat der Parteien weiter schwindet und Persönlichkeiten wichtiger werden, ist das nicht ausgeschlossen.

Bozen, 12. Juni 15

Florian Kronbichler

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