Jägerschutz bricht Opferschutz
“Gute Nachricht für die Jäger.” So unbefangen ehrlich kündigen heute die „Dolomiten“ die Verabschiedung einer Durchführungsbestimmung durch die Zwölferkommission an, mit der die Festlegung der jagdbaren Wildarten in die Zuständigkeit des Landes übergehen soll. „Gute Nachrichten für die Jäger“. Den „Dolomiten“ ist zu danken für die (natürlich ungewollt) offene Aussprache. So offen zu reden, ist nämlich nicht üblich. Unseren Autonomiehändlern dürfte es peinlich sein. Sie verkünden einschlägig immer lieber gute Nachrichten „für den Naturschutz“. Naturschutz und Jäger: was für viele Schutzverbände ein Konfliktverhältnis, ist für die Südtiroler Regierungspolitik ein und dasselbe.
Im konkreten Fall geht es um die Abschuss-Erlaubnis für das Murmeltier. Dieser hochalpine Wühler ist das – seit Jahren staatlich verbotene – Objekt der Begierde der Südtiroler Jäger. Oh, was diesen Tierchen im Lauf der Autonomie-Verhandlungen schon alles für Schandtaten angedichtet wurden: Es verdirbt den Bergbauern die Heuernte, es ist verantwortlich für die Erosion im Hochgebirge, und sein kleinerer Vetter, der Marder, frisst den Bauern die Kolben von den Maisstengeln. Die Jagdlobby argumentierte, als sei das Murmeltier existenzgefährdend für die gesamte Bergbauernschaft.
Es geht also, von den Dolomiten heute treuherzig zugegeben, um das Glück der Jäger, nicht den Schutz der Natur. Solche Siege im Autonomierecht werden sich noch als Pyrrhussiege herausstellen. Die Murmeltier-Durchführungsbestimmung von heute ist ein schlechter Präzedenzfall für die Umwelt-Autonomie, die im Zug der Verfassungsreform angestrebt wird. Es wird immer offensichtlicher: Südtirol will die primäre Zuständigkeit im Umweltbereich, und zwar nicht um die Umwelt besser zu schützen, sondern sie vor den strengeren staatlichen Schutzregeln in Schutz zu nehmen. So ist es mit der Neuregelung des Stilfserjoch-Nationalparks, so ist es heute mit dem Murmeltier-Paragrafen, und so droht es morgen mit der Umwelt-Autonomie insgesamt zu sein: Jägerschutz kommt statt Opferschutz. Und das Opfer ist die Natur.
Florian Kronbichler