Florian
Kronbichler


Als Wahlbeobachter in der Türkei.

 

Kommenden Sonntag, 24. Juni, finden in der Türkei Parlamentswahlen statt. Die Neuwahl des türkischen Parlaments, obwohl ordnungsgemäß erst nächstes Jahr fällig, ist von Staatspräsident Erdogan auf diesen Termin vorverlegt worden, nachdem er sich zu Ostern vergangenen Jahres per Verfassungsreferendum die nahezu absolute Macht im Staat gesichert hatte. Der Wahlkampf wurde von Erdogan ausgesprochen aggressiv geführt. Seine Auftritte in Deutschland, wo die größte Auslandtürken-Gemeinschaft lebt, waren hoch umstritten. Die Polemik um die Fotos mit den beiden türkisch stämmigen deutschen Nationalspielern Özil und Gündogan war augenfälligster Ausdruck dafür. Doch trotz anhaltendem Ausnahmezustand, systematischer Einschüchterung von Dissidenten und massivem Übergewicht im Werbeaufwand von Erdogans Regierungspartei AKP gilt die diesmal relativ vereint antretende Opposition keineswegs als chancenlos.

 

So wie schon vor einem Jahr zum Verfassungsreferendum, hat der Europarat in Straßburg mich auch für die Parlamentswahl vom kommenden Wochenende als Wahlbeobachter beauftragt. Ich wurde auf Vorschlag der Sozialdemokraten und Grünen ernannt. Habe ich das Referendum in der Metropole Istanbul verfolgt, so werde ich diesmal, für die Parlamentswahl, auf meinen Wunsch hin in die anatolische Hauptstadt Erzurum, ganz im Osten der Türkei, entsandt. Ich habe mich in meiner mehrjährigen Arbeit im Europarat ziemlich eingehend mit der Kurdenfrage befasst und mich in Straßburg regelmäßig mit Kurden-Abordnungen getroffen. Anatolien ist das Kerngebiet der kurdischen Minderheit in der Türkei. Wegen der ethnischen Spannungen ist es eine der politischen Unruhe-Regionen des Nahen Ostens. Es gilt neben den urbanen Zentren Istanbul, Ankara und Izmir als Hochburg der Opposition gegen Machthaber Erdogan.

 

Ich werde am Donnerstag, 21. Juni, in Ankara eintreffen. In der türkischen Hauptstadt werde ich zusammen mit weiteren Vertretern des Europarats, der Nato und der OECD auf die Arbeit als internationaler Wahlbeobachter vorbereitet und treffe Parteienvertreter und Nicht-Regierungsorganisationen. Am Vorabend zu den Wahlen, Samstag, 23. Juni, brechen unser vier Parlamentarier in die rund 1.000 Kilometer östlich gelegene Stadt Erzurum auf und werden am Sonntag von dort aus, begleitet von einem Chauffeur und einem Dolmetscher, „beobachten“, ob die Wahlen trotz Ausnahmezustand und der bekanntermaßen herrschenden Unüblichkeiten einigermaßen korrekt verlaufen. Am Montag fliege ich über Istanbul und Frankfurt zurück nach Straßburg, wo ich der parlamentarischen Versammlung des Europarats über die Erkenntnisse bei der Beobachtungsmission Bericht erstatten werde.

 

Florian Kronbichler

Noch-Mitglied des Europarats*

 

*) Das neugewählte italienische Parlament hat seine Vertreter im Europarat noch nicht ernannt. Bis es das tun wird, bleiben die bisherigen Vertreter im Amt.

 


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